Ein Registerband ist Zeichen intellektueller Bescheidenheit und Ergebnis philologischer Gründlichkeit. Der Autor tritt damit hinter seinen Gegenstand zurück, um ihn groß zu machen. Jürgen Schutte, der gerade 80 Jahre alt geworden ist, hat sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit stets auf das Brauchbare und das Nützliche konzentriert.
Das traf schon auf seine seit 1985 von vielen Studentengenerationen genutzte "Einführung in die Literaturinterpretation" zu. Es gilt auch für das jetzt erschienene "Register zur Ästhetik des Widerstands von Peter Weiss".
Als Schutte sich 2003 von der akademischen Lehre an der FU Berlin verabschiedete, sprach er unter einem von Hans-Georg Gadamer entlehnten Titel zum Thema "Wahrheit und Methode. Versuch, meine Gedanken über den Gebrauchswert der Literatur zu ordnen". Bei seiner Suche nach Wahrheit folgte er aber vor allem Peter Weiss. Mit ihm und seinem Jahrhundertroman ist Schuttes Wirken eng verbunden, wie er überhaupt zu den seltenen Germanisten gehört, die sich schwerpunktmäßig mit der Literatur nach 1945 - etwa der Gruppe 47 - befasst haben.
Seit er 1991 die große Ausstellung über Weiss als Maler an der Berliner Akademie der Künste kuratierte, hat ihn dessen Werk nicht wieder losgelassen. In Freundschaft und enger Zusammenarbeit mit Gunilla Palmstierna-Weiss brachte er eine Gesamtausgabe der Notizbücher auf CD-ROM zustande - ein editorisches Großprojekt, an dem niemand vorbeikommt, der sich ernsthaft mit Weiss befassen möchte. Im Nachlass entdeckte er ein Tagebuch aus dem Jahr 1960, das er unter dem Titel "Kopenhagener Journal" herausgab. Und er publizierte den höchst aufschlussreichen Briefwechsel von Weiss mit dem DDR-Germanisten Manfred Haiduk.
Weiss' Werdegang vom Surrealismus über die Psychoanalyse zum Marxismus, sein Weg aus der Isolation des Exils in Schweden zum politisch engagierten Antifaschisten in spannungsreichem Verhältnis zur sozialistischen Idee bezeichnet auch die Spannweite der Interessen Schuttes.
Ihn faszinierte die Konsequenz, mit der Weiss seine politischen und persönlichen Erfahrungen erst als Maler und Filmemacher, dann als Dramatiker und Schriftsteller fruchtbar machte, bis er mit der "Ästhetik" seine "Wunschbiografie" als Widerstandskämpfer im "Dritten Reich" schrieb. Weiss' Politisierung, meinte Schutte einmal, sei "die Folge der Unerschrockenheit, mit der er als Künstler in die Wirklichkeit hineingehört" habe, ohne Angst vor Widersprüchen und ohne politische Konzessionen zu machen.
Als andere nach 1989 die "Ästhetik des Widerstands" ad acta legen wollten, legte Schutte erst so richtig los. Er hielt es für unverzichtbar, die Erinnerung an die unabgeschlossenen Kämpfe der Linken wachzuhalten und mit Weiss auf die Bedeutung von Kunst und Literatur für das Geschichtsbewusstsein hinzuweisen. Das ist auch dem Registerband anzumerken, der nicht bloß ein umfangreiches Personenverzeichnis enthält, sondern auch alle in der Ästhetik genannten Künstler und Kunstwerke lexikalisch erschließt.
Dazu bietet das Buch eine thematische Synopsis und eine Seitenkonkordanz der verschiedenen Ausgaben, besonders der westdeutschen bei Suhrkamp und der ostdeutschen bei Henschel erschienenen, die in der Textgestalt zum Teil massiv voneinander abwichen.
Vornehm verschweigt Schutte, dass er selbst die "Neue Berliner Ausgabe" von 2016 besorgte, die sich als "definitive Fassung" an Weiss' Vorgaben orientiert. Er verschweigt aber nicht, dass das Register nicht ohne zahlreiche Mitarbeiter entstehen konnte, weil er seine Forschung immer als Kollektivarbeit begriff. Jürgen Schutte hat dabei seit Jahren auch gegen schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen erfolgreich Widerstand geleistet.
Jürgen Schutte : Register zur Ästhetik des Widerstands von Peter Weiss. In Zusammenarbeit mit Axel Hauff und Stefan Nadolny. Mit einem Beitrag von Nana Badenberg über Künstler und Kunstwerke und einem Incipt-Verzeichnis von Arnd Beise und einer Seitenkonkordanz der Ausgaben. Verbrecher Verlag, Berlin 2018, 214 Seiten, 24,- Euro