"Pferde stehlen" im Kino:Fataler Sommer

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Stellan Skarsgård spielt den Witwer Trond, der sich in die Einsamkeit zurückgezogen hat, an die Orte seiner Kindheit. (Foto: Verleih)

Hans Petter Molands düsteres Filmdrama "Pferde stehlen" führt einen alten Witwer an die Orte seiner Jugend zurück. Im kalten Winter überwältigen ihn die Erinnerungen an einen schicksalshaften Sommer, der ein Leben vergifetet hat.

Von Anke Sterneborg

Zwei alte Männer begegnen sich nachts in der kalten, klammen Winterlandschaft, scheinbar Fremde, die ein paar Worte wechseln und sich höflich mit Namen vorstellen. Doch die oberflächliche Begegnung lässt den Witwer Trond (Stellan Skarsgård) nicht los. Sie reißt Löcher in die kalte, klamme Winterlandschaft, durch die das Licht, die Farben und die Wärme eines Nachkriegssommers vor vielen Jahren dringen. Ein Sommer aber auch, in dem die Unschuld der Jugend und die Geborgenheit in der Familie für immer zerstört wurden. Ein Sommer, dessen Schatten ein ganzes Leben vergiftet haben. Nach dem Tod seiner Frau hat sich Trond in die Einsamkeit zurückgezogen, an den Ort seiner Kindheit. Dort holt ihn jetzt die Vergangenheit ein. Über mehrere Zeitsprünge hinweg, vom Widerstandskampf im Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart des Jahres 1999, lichten sich langsam die Nebel, klärt sich die Erinnerung.

In seiner Verfilmung eines Romans von Per Petterson streut Hans Petter Moland kleine Andeutungen und unheilvolle Ahnungen aus: "Ich hätte merken müssen, dass mit Jon etwas nicht stimmte, an diesem Morgen." Oder: "So sah mein Vater aus, kurz bevor er aus meinem Leben verschwand." Und der Schlüsselsatz: "Du entscheidest selbst, ob es weh tut." Dabei ist der Film so konstruiert, wie Erinnerungen, die ungeordnet aus einer weit entfernten Vergangenheit herüberschwappen, und sich erst langsam zu einem stimmigen Bild fügen. Viele Dinge, die Trond als 15-jähriger Junge erlebt hat, kann er erst jetzt im Alter richtig deuten, kleine Hinweise auf die Tragödie, in der zwei Familien verstrickt sind. Mehr noch als die vieldeutigen Worte wirken die Eindrücke, die der Film sammelt, sinnliche Bilder und Töne aus der Landschaft im Wandel der Jahreszeiten, die Schwingen eines Raubvogels, ein Regentropfen auf nackter Haut. Aber überall nisten auch unheilvolle Vorahnungen. Die Geräusche der Natur werden zum bedrohlich suggestiven Sounddesign, das immer wieder mit den filmmusikalischen Klängen verschmilzt. Anders als bei "Kraftidioten" und dem US-Remake "Einer nach dem anderen" wird die düstere Unausweichlichkeit der Ereignisse hier nicht durch rabenschwarze Komik abgemildert. Was bleibt, ist nur die Abgeklärtheit des Alters und die Fähigkeit zur Versöhnung mit dem Schicksal.

Ut og stjæle hester , NOR, SW, DK 2019 - Regie und Buch: Hans Petter Moland. Kamera: Thomas Hardmeier, Rasmus Videbæk. Mit: Stellan Skarsgå rd, Björn Floberg. Verleih: MFA, 123 Minuten.

© SZ vom 26.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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