Zwei seltsame Gebilde aus Licht ziehen am Bühnenhimmel auf, bewegen sich zu düster-technoiden Klängen wie Windsäcke in der Luft. Sie knicken ein, strecken sich, schlackern, bilden bedrohliche Zeichen im Dunkeln. Das eine sieht aus wie ein Gelenk, das andere mehr wie eine Leuchtstoffröhre. Sind das Glieder? Rohre? Sonden? Teilt auf diese Weise Gott sich mit? Was immer die Szene zu bedeuten hat - sie prägt sich in ihrer extraterrestrischen Befremdlichkeit im Hirn des Zuschauers ein und wirkt dort sirrend nach. Wie so manches Bild des italienischen Bühnenkünstlers Romeo Castellucci, der mit dem Stück "Democracy in America" eine neue Arbeit seiner Theatercompagnie Socìetas Raffaello Sanzio zeigt. Herausgekommen im März in Antwerpen, ist die Inszenierung nun bei den Wiener Festwochen zu sehen - ein Werk von ähnlich suggestiver Bildkraft wie Castelluccis ritualstrenge neue "Tannhäuser"-Inszenierung an der Bayerischen Staatsoper.
Performance und Theater:Der Krieg und Abrahams Samen
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Bei den Wiener Festwochen wird eine Alltagstragödie aus Syrien erzählt - und Romeo Castellucci beschwört Urbilder der Volksherrschaft.
Von Christine Dössel