Performance in Berlin:Alles, was der Urknall ist

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Eine Berliner Performance von "Showcase Beat Le Mot" im "Hebbel am Ufer" reizt mit dem Charme der Unaufdringlichkeit. Fragen des Universums werden amüsant mit einer Beschreibung der eigenen Künste gekoppelt. Letztlich aber will "alles keine Konsequenz" haben.

Von Peter Laudenbach

Schauspieler haben Rollen, Performer haben sich selbst. Die Art der berufsmäßigen Beschäftigung mit der eigenen Person kann allerdings auf Dauer etwas langweilig werden, erst recht, wenn die Ideen ausgehen. Die Berliner Performance-Veteranen "Showcase Beat Le Mot", gestählt in der Gießener Schule der Postdramatik, üben sich in diesem Spiel schon seit zwei Jahrzehnten.

Übermäßige Bühnenpräsenz oder so etwas wie Spielfreude haben sie dabei nicht entwickelt, aber das wäre vielleicht auch gar nicht im Sinne der Postdramatik. Dafür haben sie in der Art alt gewordener Studenten allerdings eine hübsche Schrulligkeit kultivieren können.

Ihr neues Werk, das sie im Berliner HAU-Theater zeigen, heißt zwar "Super Collider", aber die versprochenen Kollisionsbeschleunigungen sind eher von der gemächlichen Art. Nur keine Dramen! Zur Einstimmung wackeln die vier Performer bei gegenseitigen Verbeugungen mit den Körpern, dann werden die fülliger gewordenen nackten Bäuche präsentiert. Der Text verbindet prächtige Verblasenheit mit den drängenden Fragen einer Performer-Existenz: "Wovon soll ich leben? Von Luftpartikeln, von Resten, von Übriggebliebenem."

Resteverwertung als künstlerisches Programm, wenn das nicht die souveräne Befreiung vom ewigen Zwang zu Originalität und Produktivität ist! Anzeichen von Selbsterkenntnis ("Wir haben ja nicht mal eine richtige Arbeit, wir können jetzt nicht gehen.") korrespondieren mit harmlosen, unaufdringlichen szenischen Aktionen, die ohne übertriebene Theatralität auskommen. Man bereitet Smoothies zu und schenkt sie an die Zuschauer aus oder kriecht wie Bundeswehrsoldaten in der Grundausbildung über den Boden. Fragen des Universums werden charmant mit einer Beschreibung der eigenen Künste gekoppelt: "Nach dem Urknall ist vor dem Urknall. Nichts hat Konsequenz." Kunst, die weiß, dass die Welt sie nicht braucht - das hat zumindest den Charme der Unaufdringlichkeit und offen eingestandenen Überflüssigkeit.

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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