Opernfestspiele:Eine Welt aus Klängen

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Zu Füßen von Tara Erraught, die in "South Pole" Robert Scotts Frau singt: Rolando Villazon. (Foto: Wilfried Hösl)

Miroslav Srnkas "South Pole" im Nationaltheater

Von Klaus Kalchschmid, München

Was für eine aufwühlende, erregende, am Ende tief berührende Musik! Im zweiten Teil von Miroslav Srnkas "South Pole", seiner sogenannten "Doppeloper" über den Wettlauf zum Südpol zweier Teams um den Briten Robert Falcon Scott (Rolando Villazón) und den Norweger Roald Amundsen (Thomas Hampson), imaginiert diese Musik eine Welt: Kälte, eisigen Wind, gleißende Helle, physischen Schmerz oder einen Schwarm Vögel, der sich rasend verdichtet, auseinanderdriftet, immer größer wird. Sie kann aufjaulen oder wimmern in Holz oder gestopftem Blech, sie raunt in den Tiefen der Kontrabässe oder flirrt in den Streichern.

Nie freilich klingt sie illustrativ oder effekthascherisch, vielmehr immer so, als hätten wir Zuhörer (ähnlich den Protagonisten auf der Bühne) eine gesteigerte Wahrnehmung, als wäre das alles schon Wahn. Man traut aber auch ein halbes Jahr nach der Uraufführung kaum seinen Ohren: so minutiös kitzelt Kirill Petrenko am Pult des Staatsorchesters bei dieser einzigen Vorstellung während der Opernfestspiele (weitere drei folgen im Januar) die Facetten von Klang und Melos heraus.

Auch die Szene stimmt, denn die weiße Bühne sieht aus, als ob man in ein liegendes Zelt hineinschaute, dessen Spitze mit einem schwarzen Kreuz markiert ist. Darüber hinaus ist es das Verdienst von Regisseur Hans Neuenfels sowie der exzellenten Tenöre Dean Power, Kevin Conners, Matthew Grills und Joshua Owen Mills, dass das allmähliche Sterben der Mannschaft um Scott, denen die Hände und Füße abfrieren, so quälend realistisch beim Zuschauer ankommt.

Die ebenso hervorragenden Baritone Tim Kuypers (als rebellischer Johansen), John Carpenter, Christian Rieger und Sean Michael Plumb sorgen dafür, dass eine große Spannung entsteht zwischen dem Anführer Amundsen und seiner Mannschaft. Jeder spielt und singt als Individuum, während auch die Stars Villazón und Hampson (samt ihrer szenisch allzu dominanten Frauen, verkörpert von Tara Erraught und Mojca Erdmann, die doch nur Halluzinationen sind) trefflicher nicht besetzt sein könnten: Hier der leidenschaftliche, alles auf eine Karte setzende, seiner Mannschaft zugewandte und vergeblich um sie besorgte Scott, dort der Egomane und erfolgreiche Stratege Amundsen, der am Ende seinem toten Rivalen im Eis doch mehrdeutig eingestehen muss: "Der Pol gehört Dir."

© SZ vom 07.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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