Open-Air:Bär auf Baldachin

Lesezeit: 2 min

Cro beim Münchner Sommernachtstraum

Von Michael Zirnstein, München

Den ersten Feuerwerkseffekt brennt Cro ab. Aus dem Baldachin, auf dem der Rapper mit der Pandamaske über den Köpfen seiner Band herumtigert, sprüht ein Funkenregen. Das macht den schwebenden Laufsteg des Hip-Hoppers zum fliegenden Teppich mit Raketenantrieb, der beim "Münchner Sommernachtstraum" in den Lilalaune-Abendhimmel aufzusteigen scheint. So schwingt Cro sich auch gedanklich auf in entrückte Sphären: "Du stehst vor hunderttausend Fans und weißt: Irgendwann ist der Moment vorbei. Und ich wollt' eigentlich Unendlichkeit." So reflektiert kennt man den Schmuse-Rap-Popper ("Easy") gar nicht. Auch der Sound des neuen Stücks "Unendlichkeit" ist weiter, synthetischer, energischer, eleganter.

Ein paar Stunden zuvor lümmelt der Goldjunge der deutschen Pop-Industrie ohne die neue reinweiße Panda-Maske in einer Hotelsuite. Jetzt ist er Carlo Waibel. Der Stuttgarter vertreibt sich die Zeit, indem er in Interviews über seine Beziehung zu Feuerwerken Auskunft gibt. Er sitze selbst in einer rasenden Rakete und schieße daraus mit Raketen um sich, findet er. Später wird er drüben im "Teletubbieland" (Cro über den Olympiapark) fünf Nummern aus dem neuen Album spielen, für das der Titel "Fake You" kursiert. Cros Gedanke dazu: Man soll nicht andere imitieren, sondern sich selbst.

In diesem Sinn macht es die Olympiapark GmbH richtig: Sie hat mit dem Sommernachtstraum ein Hybrid aus Open-Air-Konzert, Familienpicknick und Pyroshow geschaffen, das sie von Jahr zu Jahr weiterspinnt. Mit anhaltendem Erfolg: 25 000 Gäste schwärmten heuer - erstmals in eine Ticket-Vierklassengesellschaft mit diversen Zugangsberechtigungen eingeteilt - um den Olympiasee herum aus.

Wer imitiert hier eigentlich wen - die Frage konnte man sich bei den Künstlern stellen. Denn dem auf der "Parksound-Bühne" sommerlich dudelnden Saxofonisten Max The Sax haftet freilich noch einiger Elektro-Swing seines bisherigen Arbeitgebers Parov Stelar an; und die Soulpop-Sänger Seven und Gregor Meyle sind vor allem in Fernsehsendungen bekannt geworden, in denen Musiker gegenseitig ihre Hits interpretieren und sich dann weinend umarmen - in München bleiben sie weitgehend bei eigenen, hübsch-harmlosen Stücken.

Am anderen Seeufer auf der "Inselbeat-Bühne" setzt Claudia Koreck ihren Charme und ihre Bayern-Pop-Originale ("Fliang") gegen die gaudireich im Blasmusik-Kostüm verkleideten Welthits von Joe Cocker ("Aber an Huat loss'd auf") bis AC/DC ("Hyway to Oberkrain") von The Heimatdamisch. Der nicht originale, aber sehr originelle Austrofred verschmelzt Austropop-Texte mit Queen-Hymnen - bis auf jenen, den ihm Peter Cornelius einmal gerichtlich zu singen untersagen ließ. Ob die beiden sich hier ausgesprochen haben, ist nicht bekannt. Jedenfalls leitet der Wiener Bluesrocker seinen größten Hit "Du entschuldige I kenn di" mit einem Bon Jovi-artigen Stromgitarrensolo ein. Wenn das einer darf, dann er selbst.

© SZ vom 31.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: