Oliven und Asche:Das Schweigen brechen

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24 große Schriftsteller und Schriftstellerinnen, von Colm Toibin bis Eva Menasse, wurden losgeschickt, um zu berichten über die israelische Besatzung in Palästina. Die Berichte sind alle bestürzend. Aber die Menge ist monoton.

Von Tobias Lehmkuhl

Man kann eigentlich gar nichts dagegen sagen. Ja, man schämt sich, selbst so wenig für die Verbesserung der Welt zu tun. Ayelet Waldman und Michael Chabon und die vierundzwanzig Schriftsteller, die sie für ihr Projekt haben gewinnen können, die unentgeltlich nach Gaza reisten, nach Ost-Jerusalem und ins Westjordanland, und mit teils fünfzigseitigen Erfahrungsberichten zurückkehrten, haben sicher alles richtig gemacht. Sie haben genau hingeschaut, sie haben Anteil genommen, sie haben sich nicht gescheut, Flüchtlingslager aufzusuchen, mit Verwundeten zu sprechen, mit Menschen, die alles verloren haben. Sie haben denen eine Stimme gegeben, die keine Stimme haben.

"Breaking the silence" heißt denn auch die israelische Organisation, mit der gemeinsam Waldman und Chabon dieses Riesenprojekt 2016 auf die Beine gestellt haben. Vierundzwanzig Schriftsteller einzeln oder in kleinen Gruppen dorthin zu bringen, wo es weh tut. Namhafte Schriftsteller wohlgemerkt, unter ihnen Dave Eggers, Mario Vargas Llosa, Colm Tóibín, Arnon Grünberg, Rachel Kushner oder Eva Menasse.

Jede und jeder von ihnen hat ihre Aufgabe vorbildlich erfüllt, jeder einzelne der Berichte hätte gegen gutes Honorar in großen amerikanischen, französischen oder deutschen Zeitungen und Zeitschriften abgedruckt werden können. Wie hier von Leid und Unrecht in den besetzten Gebieten berichtet wird, von schlechter Versorgung, Willkür und militärischer Gewalt, kann einem mitunter die Tränen in die Augen treiben.

Das Problem ist nur: Einer dieser Berichte hätte gereicht. In der Menge werden sie leider Partei. Die Perspektive ist stets jene der Unterdrückten. Was im Einzelnen eine glänzende literarische Reportage ist, wird über 560 Seiten zu einer ausufernden Anklageschrift. Man würde dann gerne einmal die Gegenseite hören.

Oder zumindest würde man hin und wieder gerne jene Ambivalenz verspüren, die gute Literatur ausmacht. So ist "Oliven und Asche" aber eben doch eher Journalismus als Literatur, gut gemeinter, engagierter Journalismus. Der gehört allerdings nicht zwischen zwei Buchdeckel.

Ayelet Waldman, Michael Chabon (Hrsg.): Oliven und Asche. Schriftstellerinnen und Schriftsteller berichten über die israelische Besatzung in Palästina. Verlag Kiepenheuer und Witsch, Köln 2017. 560 Seiten, 28 Euro. E-Book 24,99 Euro.

© SZ vom 01.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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