NS-Architektur:Ausstellung statt Abriss

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(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Die Neulandhalle ist ein einmaliger Ort, der nun zum Lernort wird: Hier lässt sich das Idealbild faschistischer Verdorfung nachvollziehen.

Von Till Briegleb

Jugendliche fanden es hier doof. Ein altes Backsteingemäuer mit merkwürdigen Wandgemälden, dazu ein paar spitzwinkelige, feucht riechende Holzhütten im Garten. Hier, im windigen Grasland von Dithmarschen, wollte kein Teenager mehr seine organisierte Freizeit verbringen. Deswegen beantragte die evangelische Kirche als Eigentümerin 2011 den Abriss der Neulandhalle - und eröffnete dem roten Trutzbau mit Turmaufbau damit eine neue Perspektive.

Denn das 1935 vom "Führer" feierlich eingeweihte Schulungs- und Versammlungszentrum für arische Musterbauern, die im neuen Adolf-Hitler-Koog angesiedelt wurden, ist ein historisch einmaliger Ort: ein singuläres Bauzeugnis für die Blut-und-Boden-Ideologie in Schleswig-Holstein, wo Hitlers Deichgrafen versuchten, der Nordsee 11 000 Hektar Ackerland abzutrotzen, bevor man dann doch lieber Polen überfiel. Die Neulandhalle mit den dazugehörigen Bauernhöfen ist also eine der wenigen fast vollständig erhaltenen Orte in Deutschland, wo man das Idealbild faschistischer Verdorfung halbwegs original nachvollziehen kann.

Dafür kämpften nach Bekanntwerden des Abrissantrags der Autor Frank Trende und der Historiker Uwe Danker und entwickelten ein Konzept für einen Lernort im heutigen Dieksanderkoog, das nun sechs Jahre später in ersten Teilen tatsächlich umgesetzt wird. Nachdem der Bund kein Geld geben wollte, haben sich endlich Kirche und Land geeinigt, zunächst für den Erhalt des Gebäudes und eine fundierte Außenausstellung vor dem Gebäude zu sorgen. Durchaus auch gedacht als "kritische Auseinandersetzung mit dem heutigen Rechtsextremismus", wie Landesbischof Gerhard Ulrich erklärt.

Nun hoffen die Beteiligten nur noch, dass zur Ausstellungseröffnung in diesem Jahr auch die Sturmglocke der Neulandhalle mit der Aufschrift "Blut und Boden sind die Grundlagen des deutschen Staates" wieder auftaucht. Die wurde nach Kriegsende angeblich von lokalen Bauern in einer Scheune vergraben.

© SZ vom 22.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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