No Angels:Im Dunst des Skandals

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"Wir hatten da einen Vorfall mit Nadja": Die No Angels präsentieren ihr neues Album und suchen in einer Mischung aus Wiedererweckung und Frust den musikalischen Erfolg.

Tomasz Kurianowicz, Berlin

Die Band No Angels hatte ihre große Zeit in den frühen 2000er-Jahren, als noch niemand ahnte, dass TV-Castingshows selbstzerstörerische Züge annehmen würden. Heute ist das so verheißungsvolle Genre, das noch vor knapp zehn Jahren die erfolgreichen No Angels hervorzubringen vermochte, zum Synonym für den kalkulierten, schnell vergehenden Ruhm geworden.

Wo ist der Elefant? Die No Angels (v.l.) Nadja Benaissa, Sandy Mölling, Lucy Diakowska und Jessica Wahls am Mittwoch in Berlin. (Foto: Foto: ap)

Die vier No Angels aber planen den Spieß umzudrehen: Am Mittwochabend präsentierten sie in Berlin nach einiger Verzögerung ihr neues Album "Welcome to the Dance", mit dem sie an die großen Erfolge anknüpfen wollen. Auf eine Live-Performance hoffte man jedoch vergeblich, stattdessen wurde die Surround-Anlage laut aufgedreht und die Leinwand ausgerollt. Das neue No-Angels-Song-Gemisch präsentiert sich in einem durch und durch internationalen Duktus, mit vielen kratzigen Elektro-Beats, Verfremdungseffekten und Sound-Mix-Collagen.

Wahrscheinlich sind diese Songs ein vortreffliches Spiegelbild des zeitgenössischen Pop in seinem Anspruch auf Perfektion, nach allen Regeln der Kunst konstruiert. Doch Begeisterung löst man mit Epigonentum nicht aus. Nach der Video-Audio-Vorstellung hörte man genauso viele Buhrufe wie Bravi durch den Saal hallen. Es lag an der Präsentation, einer kalkuliert und kühl wirkenden Show, die eher an einen C&A-Werbespot erinnerte als an mutige Musik-Performance.

Man hätte die Anlage ohnehin nicht so laut aufdrehen können, um das Tuscheln und Rätseln zu übertönen. Kurz vor der Präsentation hatte man einen Haftbefehl gegen No-Angels-Sängerin Nadja Benaissa fallengelassen. Es war ein Elefant im Raum, alle sahen ihn, aber niemand sprach darüber.

Am Mittwoch übte Benaissa die Flucht nach vorn, lächelte, wenn man sie um ein Foto bat, drehte das Bein, wenn ein Kameramann es sich so wünschte. Doch in den kurzen Momenten der Stille glaubte man die Introvertiertheit und das Unwohlsein um das mediale Geschacher zu erahnen.

In einem Interview, das bei dieser Präsentationsveranstaltung eigentlich gar nicht hätte stattfinden sollen, wurden die vier Frauen gefragt, warum sie die Veröffentlichung so weit nach hinten verschoben haben. Benaissa wollte nicht antworten, weil schließlich die Musik im Zentrum stehe. Lucy sagte vorsichtig: "Nun ja, wir hatten da so einen Vorfall mit Nadja. Nach dieser Sache musste sie Ruhe haben."

Als dieser Satz fiel, legte Nadja kokett ihren Kopf in den Nacken. Da war es wieder, dieses perfekt geschulte Lächeln, mit dem sie das Unwohlsein verbarg. Dann aber lachte sie so laut wie in keinem anderen Moment an diesem Abend. In dieser Gemengelage aus öffentlichen Privatproblemen und Popmusik scheinen die Song-Texte der neuen No-Angel-Platte förmlich dazu geschaffen zu sein, dekonstruiert zu werden.

"I'm a Rebel", heißt etwa ein sehr glattgebügeltes Lied, das zu suggerieren versucht, hier hätten sich vier Sängerinnen zusammengefunden, um die Popkultur zu revolutionieren. Wenn in Berlin aber Fragen von Journalisten fielen, wurde brav geantwortet, so brav, wie es auch die Stücke des neuen Albums sind. "Kraft", hätte man jetzt getankt, man freue sich auf die Fans, man möchte endlich auf Tournee gehen.

Doch dann, als die Mikrofone ausgeschaltet waren, fiel endlich ein letzter ehrlicher Satz: "Man, wir reden ja wie Politiker." Diese sind ja auch stets bemüht, Privatleben und öffentliches Amt auseinanderzuhalten.

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