Neues EU-Gebäude:Ein Weltraum-Ei für die Union

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Nachts leuchtet im Innern die Kugel des Sitzungssaals. (Foto: Philippe Samyn/Partners)

Der Europäische Rat hat ein neues, vielleicht sogar schönes Zuhause mit einer markanten Ei-Form im Innern, die durch ihr nächtliches Leuchten befremdlich anmutet, aber so den Bauvorgaben geschuldet ist.

Von Thomas Kirchner

Wenn sich Europas Außenminister an diesem Montag in Brüssel treffen, werden sie froh sein, das Justus-Lipsius-Gebäude des Rats der EU erstmals nicht mehr betreten zu müssen. Nach 21 Jahren im Dienst wirkt es längst muffig und altmodisch. Der Klotz aus rosa Marmor war viel zu klein geworden für die 28-er Union, außerdem hatte er sowieso nie jemandem wirklich gefallen.

Das neue Gebäude nun liegt gleich daneben, es wirkt leichter, luftiger, manche finden es sogar schön. Das liegt vor allem an der 40 Meter hohen bauchigen Form im Inneren, die bei nächtlicher Beleuchtung markant hervortritt. Der belgische Architekt Philippe Samyn denkt dabei an eine Vase; britische Journalisten schrieben maliziös vom " Space Egg", dem Ei, das aus einer fremden Galaxie auf Brüssel gefallen sei. Das Nest, in dem es liegt, ist gebildet aus Glas und 3 700 recycelten Holzfensterrahmen. Reines Dekor ist das Runde im Eckigen nicht, vielmehr eine Antwort auf die Vorgabe, in jede Ebene unterschiedlich große Räume einpassen zu müssen. Der größte liegt im fünften Stock, wo künftig die Staats- und Regierungschefs tagen werden, zum ersten Mal wohl im März. Die anderen zwölf Etagen füllen weitere Sitzungsräume, die Verwaltung, Kantine, Restaurant, ein Pressezentrum. Die Medien selbst hingegen bleiben drüben, im alten Gebäude, fernab vom Geschehen.

Mäkler berichten von Platzmangel und einer "Anfahrtzone wie bei einem Ibis-Hotel"

Die Planer hatten es nicht leicht, nicht nur wegen der immensen Sicherheitsanforderungen. Sie mussten auf belgischen Wunsch auch einen Art-déco-Palast integrieren und berücksichtigen, dass das Ensemble wegen der Auto- und Bahntunnel im Untergrund nicht zu schwer werden durfte. Die Baukosten stiegen von angepeilten 240 auf 321 Millionen Euro.

Im Inneren ist es hell und grellbunt, Teppiche und Decken erinnern an das Fell von Emil, dem Kinderbuch-Elefanten. Erste Mäkler gibt es auch: Diplomaten, die hier schon tagten, klagen über Platzmangel und eine "Anfahrtzone wie bei einem Ibis-Hotel". Und dennoch: Das neue Europa-Gebäude zeigt freundlich Kante. Es gibt der EU ein klareres Gesicht, eine Identität. Wenn man so will, stellt es einen Gegenentwurf dar zu den konturlosen Fantasiebauwerken, die auf den Scheinen der gemeinsamen Währung prangen. Zumindest ästhetisch scheint Europa etwas gelernt zu haben.

© SZ vom 16.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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