Neue Musik:Die Welt retten

Lesezeit: 2 min

Für sein Projekt "Happiness Machine" hat das Klangforum Wien zehn Filmkünstlerinnen mit zehn Komponistinnen zusammengebracht. Ihre Stücke zum Thema "Gemeinwohl-Ökonomie" wurden beim Eclat-Festival in Stuttgart uraufgeführt.

Von Henrik Oerding

Musik tut gut. Aber kann Musik auch Gutes tun, vielleicht sogar die Welt zum Guten verändern? Diesen idealistischen Versuch unternimmt das Klangforum Wien in seinem Projekt "Happiness Machine", das am Freitag beim Eclat-Festival für Neue Musik im Stuttgarter Theaterhaus uraufgeführt wurde.

Weitere Aufführungen in Hamburg und Wien folgen noch. Für das Projekt hat das Ensemble zehn Film-Musik-Werke beauftragt und dazu zehn Filmkünstlerinnen mit zehn Komponistinnen zusammengebracht. Im Zentrum der Stücke steht die sogenannte Gemeinwohl-Ökonomie, die der österreichische Autor und Aktivist Christian Felber vertritt. Felber schlägt in seinem Buch aus dem Jahr 2010 ein alternatives Wirtschaftsmodell vor, das nicht Gewinnmaximierung, sondern größtmöglichen Gewinn für das Gemeinwohl zur Maxime wirtschaftlichen Handels erhebt. Unternehmen sollen dafür eine Gemeinwohl-Bilanz vorlegen, laut dem Internationalen Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie haben das rund 400 Unternehmen bisher getan, darunter beispielsweise die Sparda Bank München, der Sportausrüster Vaude und eben auch das Klangforum Wien.

Leider stehen zwischen den Film-Musik-Werken idealistische Monologe

Die Filme widmen sich diesem Thema auf ganz unterschiedliche Weise: "Lickalike" von Rebecca Blöcher betrachtet eher abstrakt in Collagen und Animationen, wie selbst- oder fremdbestimmt Menschen sind, die Musik von Eva Reiter changiert dabei zwischen Alter und Neuer Musik. Deutlich konkreter ist dagegen Ana Nedeljkovićs Film "The Happiness Machine" mit Musik von Hanna Hartmann: Gräuliche gnomische Knetfiguren werden von ihrer Firma für den Profit bis zur Zerstörung ausgebeutet.

Die Idee, Filmemacherinnen und Komponistinnen gemeinsam einzuladen, sorgt zwar für zehn stimmige Werke, sie hat aber einen Nachteil: An vielen Stellen ist die Musik eher deskriptiv, die Handlung der Filme wird musikalisch dargestellt, dagegen nur selten kommentiert. So tritt die Musik in den Hintergrund - ein wenig überraschend bei einem Festival für Neue Musik. Gleichzeitig ist die Musik sehr zugänglich, was auch am Klangforum Wien (musikalische Leitung: Konstantia Gourzi) liegt, das hier auf hohem Niveau musiziert.

Bis hierhin ist "Happiness Machine" interessant. Filme und Musik reichten den Wienern allerdings nicht, sodass Monologe von Mitgliedern des Klangforums zwischen die zehn Filme gestellt wurden. Anfangs funktioniert das noch gut - Klangforum-Intendant Sven Hartberger berichtet, wie die Gemeinwohl-Ökonomie beim Ensemble eingeführt wurde, ein Musiker erzählt, warum er gegen die Einführung war. Wo die Idee wohl ist, Diskurs zu ermöglichen, entsteht jedoch bald ein Pathos, das man sonst eher im Jugendtheater findet. Eine Mitarbeiterin sagt etwa, dass man lokal kaufen solle, dass das nicht so einfach sei, aber man seinen Konsum hinterfragen müsse. Das ist alles richtig, wichtig und hinlänglich bekannt. Nur: Zur Film-Musik-Aufführung passt es nicht, sondern wirkt unnötig bemüht. Das Klangforum versucht Gutes zu tun - der Musik traut es aber nicht mehr zu, alleine für das Gute stehen zu können.

© SZ vom 13.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: