Netzwelt:Der Flop des Präsidenten

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Warum nur erschienen so wenige Fans zur Trump-Rally in Tulsa? Vermutlich haben jugendliche Nutzer der Plattform TikTok und K-Pop-Fans sich angemeldet - mit der Absicht nicht zu kommen.

Von Bernd Graff

Wie macht der amerikanische Präsident, wenn er in Tulsa, Oklahoma, Wahlkampf in einem halb leeren Raum macht? Flop!

Gut, ein billiger Scherz. Doch gewinnt man den Eindruck, dass Scherze nicht billig genug sein können, will man Donald Trump im Wahlkampf begleiten. Der Mann hat sich bei diesem Auftritt ja dafür feiern lassen, dass er ein Glas Wasser einhändig halten und sogar daraus trinken konnte. Da wird man wohl noch "Flop" sagen dürfen. Doch unabhängig von Lautmalereien: der Auftritt war ein Flop.

Die Erwartungen an das Tulsa-Event zum Wahlkampfauftakt waren hoch, sie waren von Trump und Brad Parscale hochgeschraubt worden. Parscale ist Trumps zum Kampagnenchef 2020 aufgestiegener Direktor für Digitalstrategien aus dem letzten Wahlkampf. Über eine Million Anmeldungen, so tönten beide in Sozialen Medien, gäbe es für die "nur" 19 000 Plätze in Tulsas Multifunktionsarena, man habe Viewing Areas außerhalb dieses "BOK Center" einrichten müssen, um der erwarteten Massen Herr zu werden. Der Tag kam, Trump kam, aber statt der Million fanden nur 6200 Fans den Weg ins Center. Gezählt von Tulsas Feuerwehr, die das wissen muss. Was war geschehen?

Am Tag nach Trumps Wasserglasbalanceakt gratulierte die New Yorker Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez den "TikTok-Kids" und "K-Pop"-Aktivisten zu ihrer gelungenen Online-Aktion. "TeamTrump" hatte vor Tulsa ja dazu aufgerufen, rechtzeitig Tickets für die Veranstaltung zu buchen. Und Nutzer der Plattform "TikTok" wie Fans von Koreanischem Pop auf Twitter behaupten, sich denn auch hunderttausendfach für Trumps Event angemeldet zu haben - in der festen Absicht, dort niemals zu erscheinen. So kursierten zahlreiche Videos von erklärten Geisterteilnehmern. In einem Clip von Mary Jo Laupp, die sich selbst "TikTok-Grandma" nennt, heißt es: "Reserviert Tickets und lasst ihn alleine auf der Bühne stehen." "Schade!", sagt jemand in einem anderen, "Jetzt habe ich mich zur Trump-Rally angemeldet. Dabei kann ich gar nicht hingehen." Wieder ein anderer: "Ich bin so aufgeregt, nicht zu erscheinen." Der Clou an den häufig geteilten Videos war, dass sie schnell wieder verschwanden, damit sie vom Mahlstrom des Mainstreamnetzes nicht aufgenommen und die Aktionen registriert würden.

Organisierten Jugendwiderstand im Netz gab es schon vorher gegen rassistische Kampagnen

Es scheint, als wäre der Anti-Trump- und Alternativ-Szene so tatsächlich ein koordinierter Online-Coup gelungen. Bislang schienen Subversion und Disruption aus dem Netz immer von der Gegenseite gepachtet gewesen zu sein, die Domäne der radikalen Rechten, ihrer Trolle und Bots. Das verschiebt sich anscheinend gerade.

Im Zuge der Proteste nach dem Tod von George Floyd wurde schon der von Rechten verbreitete Hashtag #WhiteLivesMatter von K-Pop-Fans geflutet, um die rassistische Kampagne mit den Popvideos ihrer Favoriten zu verwässern. Ähnliche Aktionen werden zu Trumps Hashtag #MAGA und dem rassistischen, #replacementmigration kolportiert. Man spricht von "Alt TikTok" und "Elite TikTok", obskuren Alternativen, in denen sich Jugendwiderstand auf der von Chinesen betrieben Social-Plattform und auf Twitter formiert.

Der nun vom Furor seines Chefs malträtierte Brad Parscale müht sich um Rückgewinnung der Diskurshoheit. Nicht die Luftbuchungen seien der Grund gewesen, ein linker Mob habe die Menschenmassen vor der Trumpveranstaltung blockiert, behauptet er nun. Darum seien nur wenige durchgekommen. Den ausschließlichen Erfolg der TikTok-Teens bezweifelt aber auch Parker Melloy, sie ist Redakteurin von "Media Matters", einem Onlinemagazin, das Fehlinformation und Fake News in den Medien aufdeckt. Melloy meint, dass Flutungskampagnen und Hashtag-Okkupation den Trumpflop sicher nicht allein verursacht hätten und sowieso schon lange zum Maßnahmenkatalog der Linken gehörten. Nein, die Millionen-Ansage sei die Erfindung von Parscale. "Es gibt keinen Beweis, dass sich tatsächlich eine Million Menschen angemeldet haben. Das ganze war ein ,Wenn du es behauptest, dann werden sie schon kommen'-Ding. Doch es kam einfach niemand."

© SZ vom 23.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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