Netzkolumne:Wir müssen reden

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Die sogenannten Smart Speakers breiten sich unaufhaltsam aus. Was macht das mit den Nutzern? Und was passiert, wenn die Assistenten demnächst nicht mehr nur schweigend auf unsere Befehle warten, sondern selbst aktiv werden?

Von Michael Moorstedt

Wann immer neue Kommunikationskanäle entstehen, ist ja nicht nur interessant, wie, sondern auch wer da eigentlich spricht. In diesem Fall soll es um die sogenannten smarten Lautsprecher wie Amazons Echo gehen, die inzwischen ja von fast allen Technologie-Unternehmen angeboten werden.

Marktforscher verkünden freudestrahlend, dass allein in den USA mehr als 35 Millionen Haushalte eines dieser Geräte benützen, mehr als doppelt so viele wie vor einem Jahr, und dass die Marktsättigung bis zum Jahr 2020 75 Prozent betragen werde. Kurz gesagt: Man wird ihnen in Zukunft nur schwer entkommen können.

Zusätzlich zu den Standardfunktionen wie Wettervorhersage oder Nachrichten lässt sich das Repertoire der Smart Speakers mit Apps von Drittanbietern erweitern, den sogenannten Skills. Schaut man sich in dem Store von Amazon um, trifft man dort etwa auf die AfD, auf Borussia Dortmund und sogar auf die Freiwillige Feuerwehr Pinneberg.

Die Sprachsteuerung unserer Geräte werde eine unvorhersehbare Wirkung auf ihre Nutzer haben, prophezeien zahlreiche Usability-Forscher. Was passiert zum Beispiel mit Menschen, die es von klein auf gewohnt sind, ihre digitalen Butler herumzukommandieren? Werden sie schlechtere Manieren haben, weil sie diese ständig im Befehlston steuern? Software braucht eben kein Bitte und Danke.

Etwas drängender ist jedoch das sich hier wieder bewahrheitende ungeschriebene Gesetz, dass digitale Kommunikation dazu neigt, sich immer mehr in unserem Leben auszubreiten. Denn wo Alexa und Konsorten bislang ausschließlich auf Befehl reagiert haben und ansonsten passiv blieben, arbeiten deren Hersteller momentan daran, dass die smarten Lautsprecher auch von selbst die Interaktion beginnen können.

Um abzusehen, wohin dieser Trend führen kann und wahrscheinlich auch wird, muss man nur das eigene Smartphone betrachten. Wo früher gerade mal ein paar neu eingegangene SMS oder E-Mails auf dem Bildschirm zu sehen waren, herrscht heute dichter Verkehr auf dem Display. Jede App will etwas von ihrem Nutzer, meldet mit Texten und Tönen irgendeine Nichtigkeit und macht jegliche Gedankengänge, die länger als fünf Minuten andauern, unmöglich. Auf die besonders wichtige Mail würde man in Zukunft also auch beim Zubereiten des Abendessens aufmerksam gemacht werden. Und dann beim Zwiebelschneiden die Antwort diktieren. Klingt futuristisch und in Zeiten allgemein steigender Stresshormonspiegel nicht sehr verlockend.

"Das ist nicht die Art von Robotern, die uns versprochen wurden", nörgelte denn auch unlängst der notorische Technik-Kritiker Nicholas Carr in der New York Times. Anders als von ihm gewohnt, ist ihm die Technik dieses Mal jedoch nicht übermächtig genug. Das Silicon Valley habe mal wieder nur Geräte entwickelt, die den Nutzer möglichst hermetisch einschließen. Statt beflissener humanoider Automaten wie C-3PO aus "Star Wars" oder der omnipotenten Rosie aus den frühen "Jetsons"-Zeichentrickfilmen habe man etwas bekommen, das aussieht "wie eine Vase oder eine Dose Katzenfutter".

© SZ vom 18.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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