Netzkolumne:Happy Birthday, Dein Bot

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E-Mails beantworten, den Verwandten einen Strauß Blumen zum Geburtstag schicken, oder auch online einkaufen gehen: All das und noch mehr werden in nicht allzu ferner Zukunft unsere digitalen Doppelgänger erledigen.

Von Michael Moorstedt

Auf ihrem Weg zum Weltwirtschaftsforum in Davos hielt die Microsoft-Delegation vorige Woche noch eine Stippvisite in Berlin ab und hinterließ dort ein paar Weisheiten die Zukunft betreffend. Hochrangige Manager stellten eine Art Weißbuch zur künstlichen Intelligenz (KI) vor, das den Menschen die Angst vor der Fabeltechnologie nehmen soll. Auf 150 Seiten werden allerhand Überlegungen hinsichtlich der ethischen und gesellschaftlichen Einschlagskraft von KI-Software sowie deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt ausgeführt. Außerdem verspricht das Unternehmen, diese Technologie zu demokratisieren, die laut Google-Chef Sundar Pichai ja mindestens so wichtig werden wird wie die Erfindung der Elektrizität oder die Beherrschung des Feuers.

Um dem Ganzen ein bisschen von seiner Gravitas zu nehmen, wird im Vorwort unser Leben in 20 Jahren beschrieben - vorausgesetzt, dass das mit der Demokratisierung und Beherrschung klappt. Es liest sich wie viele Techno-Utopien mit Standard-Requisiten wie autonomen Autos, Lieferdrohnen oder virtueller Realität. Am einfallsreichsten mutet ein KI-Alter-Ego an, das den Menschen bei der Koordination seiner Termine und Aufgaben im echten wie im virtuellen Leben unterstützen soll. Der Bot sieht etwa im Kalender, dass die Schwester seines Nutzers Geburtstag hat und schickt automatisch deren Lieblingsblumen. Dem Besitzer teilt er dies auch mit, damit der nicht von etwaigen Dankesbekundungen überrascht wird.

Was den heutigen Leser vor allem überrascht, ist der vorsichtige Zeitrahmen, den die Microsoft-Forscher aufstellen. 20 Jahre? In weniger ausgefeilter Form findet dieses Delegieren von Kommunikation ja schon heute statt. Google etwa bietet seit einiger Zeit eine Smart Reply genannte Funktion für E-Mail an. Das System untersucht eingehende Mails auf ihren Inhalt und generiert dann automatisch passende Antworten. Vor wenigen Tagen kündigte der Konzern an, diese Funktion auch auf seine Messenger-Dienste auszuweiten. Ebenfalls vorige Woche stellte ein Forscherteam von Facebooks KI-Sparte ein Konzept vor, in dem es darum geht, sogenannte Dialogagenten zu personalisieren. Man will den generischen Chat-Bots von heute also einen konsistenten Charakter verpassen. "In nicht allzu ferner Zukunft werden jedes Unternehmen und jedes Individuum seine eigene Präsenz als Dialogagent haben", heißt es dort.

Bis die großen Tech-Konzerne so weit sind, kann man aber auch als einzelner Nutzer schon seinen ganz eigenen Agenten heranziehen. Eine kleine App namens Replika verspricht eine soziale KI im Eigenbau. Sie imitiert die Schreibweise des Menschen, prägt sich ihr erzählte Geschichten ein und merkt sich die Menschen, die im Leben ihres Nutzers wichtig sind. Je länger man sich mit ihr beschäftigt, desto überzeugender werden die Reaktionen der Software. Noch möchte man sie zwar nicht mit Geburtstagsgrüßen für Verwandte betrauen, doch irgendwann soll der Digital-Zwilling Termine organisieren, Nachrichten schreiben, die Einkäufe beim Versandhändler und auch den ganzen Rest des Online-Alltags erledigen. Das Internet wäre dann ein Ort, in dem Maschinen beinahe ausschließlich mit Maschinen kommunizieren. Denkt man an die Art und Weise, wie momentan Menschen mit Menschen umgehen, wäre das dann vielleicht doch eine Art Utopie.

© SZ vom 29.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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