Nacht-Buch:Leben im Dunkel

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Ein ironisch-gelehrter Streifzug durch das Nacht-Leben und sein Gegenstück, die immer weiter greifende Beleuchtung des privaten und des öffentlichen Raumes. Inspiriert von Pink Floyds "The Dark Side of the Moon".

Von Florian Welle

Natürlich wird, wenn man bei den Suchmaschinen die Begriffe "Fischer/Nacht" eingibt, der renommierte Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer eindeutig geschlagen von der Schlagerkönigin Helene Fischer mit ihrem Hit "Atemlos durch die Nacht". Der Autor, Jahrgang 1947, hat in seinem Buch "Durch die Nacht" andere Musik im Ohr, eingangs zitiert er Pink Floyds Konzeptalbum "The Dark Side of the Moon", später spielt er unter anderem auf den Beatles-Hit "A Hard Dayʼs Night" an.

Fischer liebt Anspielungen, Zitate, Wortspiele. Und er liebt die flapsige-ironische Pointe, mit der er gern einmal einen seiner zahlreichen Exkurse würzt. In dem Abschnitt "Leben im Dunkeln" erfährt man, dass die Tiefsee-Anglerfische die Erziehung ihres Nachwuchses nicht ihren Frauen überlassen, sondern sich selbst um deren Wohlergehen kümmern - "man sieht sie ja dabei nicht", heißt es abschließend. Es sind solche süffisanten Bemerkungen, die auch das jüngste Buch des studierten Mathematikers, Physikers und Biologen zu einer kurzweiligen Lektüre machen.

"Durch die Nacht" verbindet Natur- mit Kulturgeschichte. Fischer diskutiert zunächst ausführlich über die nur auf den ersten Blick banal klingende Frage "Warum es nachts dunkel wird", um sich dann umso wilder ins "Nachtleben" zu stürzen. Im Barock entdeckte der Mensch die Stunden nach vollbrachtem Tagewerk für sich. Fortan war die Nacht nicht mehr ausschließlich der Erholung, beziehungsweise der Reproduktion vorbehalten, sondern der Unterhaltung und Zerstreuung. Diese sogenannte "nocturnalization", also die Vernächtlichung, schlug sich auch in der höfischen Architektur nieder. Europaweit bekamen die Residenzen Spiegelsäle, in denen bei Kerzenschein getanzt werden konnte.

So gehört - paradoxerweise - zur Geschichte der Nacht auch ihre Aufhellung. Erst begann man, die dunklen Straßen mit Kerzen und Öllampen zu beleuchten (nicht zuletzt zum Schutz der Bürger), später folgten Gaslampen, dann die umfassende Elektrifizierung. Heute ist es in den Großstädten auf der ganzen Welt auch nachts taghell. Der gestirnte Himmel, der einst die Gemüter der Menschen zu bewegen imstande war - man denke an Novalis und dessen "Hymnen an die Nacht" -, ist so gut wie nicht mehr sichtbar. Gegen diese Entwicklung hat sich in jüngster Zeit Widerstand formiert, etwa in Gestalt der "Internationalen Gesellschaft zum Schutz des dunklen Nachthimmels".

Eines der interessantesten Kapitel erklärt "das Wunder des Schlafes", auch wenn das menschliche Gehirn genaugenommen nie schläft. Man erfährt von "Schlafprofilen", "Nachthormonen" und "dem Stoff, aus dem die Träume sind". Heute bringt uns vieles um den Schlaf: Licht, Stress, Albträume. Statt sich dann im Bett hin und her zu wälzen, kann man sich nun vergnügt mit dem Buch von Ernst Peter Fischer durch die Nacht lesen. An Schlafen ist dann allerdings nicht mehr zu denken.

© SZ vom 02.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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