Nachruf:Stilvollender

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Ein Haudegen, der nie ein System vertrat, weil er selber das System war: Heribert Sasse ist mit 71 Jahren gestorben. (Foto: Regina Schmeken)

Heribert Sasse war ein unbeirrter Theatermacher der alten Schule: ein jovialer Autoritärer mit Chefausstrahlung, der seine Karriere zur falschen Zeit gemacht hat. Im Alter von 71 Jahren ist der Österreicher gestorben.

Von Helmut Schödel

Seine Wohnung hatte Heribert Sasse in einem Biedermeier-Haus in Wiens achtem Bezirk, nicht weit von jenem Theater entfernt, das den Bezirk im Namen hat. Im "Theater in der Josefstadt" hat Sasse seit 2006 gespielt und inszeniert. Das ausgesprochen Bürgerliche dieses Teils von Wien passte gut zu ihm, diesem Wiener Herrn mit Hund, Krawatte, Manschettenknöpfen, Zigarillos, Lackschuhen und den roten Ledersitzen im Land Rover, mit dem er zu seinem Landsitz in Hinterstoder, Oberösterreich, fuhr, in ein altes Jagdhaus mit Heimatfilm-Appeal zu Füßen des Toten Gebirges, das früher dem Herzog von Württemberg gehört hatte. Man hätte den Eindruck haben können, sein Bild von sich selber habe er in Öl gemalt, aber das höchst Sympathische daran war, dass es ihm bei vollem Bewusstsein immer wieder gern verrutschte und ins Wackeln kam, weil er eben kein Wiener Gesellschaftsspießer war, sondern ein leidenschaftlicher Theaterberserker, ein Macho Männern gegenüber, ein Bewunderer bei Frauen.

Heribert Sasse, 1945 in Linz geboren, aufgewachsen in Wien, Besuch des Max-Reinhardt-Seminars, trat in jungen Jahren in den Freak-Dramen des Grazer Autors Wolfgang Bauer auf, bahnte sich aus Keller-Theatern den Weg nach oben und wurde nach einer Direktion am Berliner Renaissance-Theater 1985 mit gerade 40 Jahren Generalintendant der Staatlichen Schauspielbühnen Berlins, also Schiller-Theater, Werkstatt und Schlossparktheater, damals das größte Theaterimperium der Republik.

Schon bald war er in der Zeit der zwei Peter, Zadek und Stein, als Konservativer verschrien und zum Watschenmann der Großkritik geworden, weil er das neue Regietheater ablehnte. Er hatte diese Karriere zur falschen Zeit gemacht. Aber vor Widerspruch knickte er nicht ein, blieb seinem Standpunkt treu, und so fand sein Überlebenstraining nicht am Bungeeseil, sondern im Theater statt.

Sasse hatte diese Chef-Ausstrahlung. Er war noch dieser alte, echte, dieser unausstehlich joviale Autoritäre, der Durchhalter, der Haudegen, der nie ein System vertrat, weil er selber das System war. Ein Wort wie Quote brauchte er auch nicht, weil er wusste, dass die Bude voll sein muss. Und dass das Theater ein Guckkasten bleibt, war ihm wichtig, dass es nicht ein Ausstellungsraum für Videoinstallationen wird. Sasse - das war der alte Stil. Dass er "umgeben von Zweifel, Misstrauen und Voreingenommenheit" arbeitete und "ohne glückhafte Partnerschaften", schrieb der Theaterkritiker Günther Rühle. Sasse hatte oft auf die falschen Leute gesetzt und blieb ihnen treu.

Nach seiner Intendanz an den staatlichen Bühnen leitete er bis 2002 nur noch das Berliner Schlossparktheater und ging dann nach Wien zurück, arbeitete ein Jahr am Volkstheater, dann an der "Josefstadt", nebenbei auch im "Rabenhof-Theater" und frönte seinen Vorlieben. In einer kurzen Phase ohne Engagement ließ er sich von Witzigmann erfolgreich Kochen beibringen. Sasses Einladungen waren begehrt, seine Monologe bei Tisch Theatergeschichte. Hier kochte und sprach der Chef, dem man in den letzten Jahren in Wien den Professorentitel verlieh und auch den Titel "Kammerschauspieler". Seine Auftritte im Film blieben Nebensachen. Vielen ist er vielleicht als Inspektor Weiler im Wiener "Tatort" an der Seite von Harald Krassnitzer bekannt geworden.

Heribert Sasse gehörte am Ende zu den Wiener Theaterstars, derentwegen man die Häuser besuchte. Das Ereignis war er selber. Ein Mann aus den Zeiten des persönlichen Formats, unverwechselbar wie heute kaum einer. Er hatte Herzprobleme, selten sprach er darüber. Es gab Wichtigeres: Das Theater, das sein Leben bestimmte. Nun ist er im Alter von 71 Jahren gestorben.

© SZ vom 21.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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