Nachruf:Religion und Moderne

Seine "Säkularisierungsthese" war sehr einflussreich - später hat er sie selbst revidiert. Der Soziologe Peter L. Berger ist gestorben.

Von Anna Lea Berg

Vor fünfzig Jahren, 1967, veröffentlichte Peter L. Berger "The Sacred Canopy". In diesem Buch, das auf Deutsch "Zur Dialektik von Religion und Gesellschaft" hieß, formulierte Berger die "Säkularisierungsthese". Ihr zufolge verlieren religiöse Formen der Legitimation im Zuge der Modernisierung von Gesellschaften an Bedeutung.

Diese These gab jahrzehntelang Anlass zu heftigen Debatten und wurde angesichts offenkundiger religiöser Vitalität in- und außerhalb Europas immer wieder neu und anders formuliert. Ein früher Kritiker war Bergers Kollege Thomas Luckmann. Für ihn war Religion in der Moderne nicht im Rückgang, lediglich ihre Ausdruckformen individualisierten sich.

Zusammen mit Luckmann schrieb Berger 1969 dann das wirkmächtige Werk "Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit". Wirklichkeit müsse als dialektische Beziehung zwischen menschlichem Handeln und gesellschaftlich anerkannten Wissensbeständen verstanden werden, postulierten die Autoren damals. Diese Grundannahme begründete den Sozialkonstruktivismus, eine bis heute dominante Strömung in der Soziologie.

1929 in Wien geboren, floh Berger mit seiner Familie vor den Nationalsozialisten nach Palästina. 1946 emigrierte er in die USA und wurde an der New School of Social Sciences in New York promoviert. In seiner späteren Arbeit wandte Berger sich spektakulär von der Säkularisierungstheorie ab und begann Formen der Transzendenzerfahrung in der Moderne, Pluralisierung und indische Religionen zu erforschen. Er lehrte an der New School, der Rutgers University und schließlich seit 1981 an der Boston University. Am 27. Juni ist Peter L. Berger, wie nun bekannt wurde, in Brookline, Massachusetts im Alter von 88 Jahren gestorben.

© SZ vom 05.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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