Nachruf:Kleine Dinge

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Der englische Dichter Christopher Middleton war ein Verwandlungskünstler der Literatur. Nun ist Middleton, der lange deutsche Literatur gelehrt hat, im Alter von 89 Jahren gestorben.

Von Nico Bleutge

In einem kleinen Gedicht hat Christopher Middleton einmal einen Papiermacher zum Leben erweckt. Tagein, tagaus sammelt dieser Mann alte Bettwäsche aus Trödelläden überall in Europa, aber auch Mieder und abgetragene Hemden. Die Fasern der Wäschestücke weicht er in Holzfässern auf, bis ein Brei entsteht, den er dann trocknet, fixiert - und schon hat er Papier für Radierungen und Texte. Was die Kunst der Verwandlung angeht, stand der englische Dichter Christopher Middleton seinem Papiermacher in nichts nach. Seine Stoffe waren die Imaginationen und Sprachteilchen, die er auf Reisen über die Kontinente ebenso fand wie auf Streifzügen durch die Literatur. Beobachtungen und Sprechweisen, rhythmische Muster und surreale Ideen - daraus baute er seine Gedichte, Prosastücke und Essays, indem er sie in offene Konfigurationen verwandelte oder gleich ins Fantastische überführte.

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