Nachruf:Ikone der goldenen Hollywood-Ära

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Für "Singin' in the Rain" brachte ihr Gene Kelly das Tanzen bei. Der Film machte Debbie Reynolds, hier im Jahr 1959 in New York, zum Musical-Star. (Foto: AP/John Rooney)

Die Schauspielerin Debbie Reynolds ist gestorben, einen Tag nach dem Tod ihrer Tochter Carrie Fisher. Sie war ein Star alter Schule.

Von David Steinitz

Der Ruhm war gar nicht ihr Ziel, als Debbie Reynolds sich 1948 bei einem Schönheitswettbewerb in Burbank, Kalifornien, anmeldete, sondern ein Gratis-Mittagessen. Zusätzlich zu dem Lunch versprachen die Veranstalter allen Teilnehmerinnen einen Seidenschal und eine Bluse. Also meldete sich das 16-jährige Pfadfindermädchen aus Texas, das mit dem Radio aufgewachsen und erst kürzlich zum ersten Mal im Kino gewesen war, an. Bei ihrem Auftritt sang Debbie "My Rockin' Horse Ran Away", und am Ende des Tages bekam sie nicht nur Schal, Bluse und Essen, sondern auch einen Vertrag bei Warner Brothers, deren Talentscout im Publikum saß.

So ein Hollywood-Deal bedeutete in den Vierzigerjahren aber weniger Glamour als Lohnarbeit, es wurde gespielt, was die Studios vorgaben. Die Warner-Leute zahlten 65 Dollar die Woche, damit sie das texanische Mädchen von nebenan spielte, mit ein bisschen, aber bitte nicht zu viel Teenager-Erotik. Als ihre Verpflichtung bei Warner auslief, wechselte Reynolds, die ihren Plan, Lehrerin zu werden, längst aufgegeben hatte, zu MGM. Dort bekam sie 300 Dollar die Woche, außerdem waren die Studiobosse der Meinung, dass sie eine gute Partnerin für den Musical-Superstar Gene Kelly wäre. Das Problem: Debbie konnte nicht tanzen. Gene Kelly persönlich brachte es ihr schließlich bei, und so steppten und sangen die beiden sich 1952 durch "Singin' in the Rain", der die Zwanzigjährige prompt zum Star machte. Sie tanzte mit Gene Kelly, sie tanzte mit Fred Astaire, die Choreografien und Songs waren damals von einem Handwerksethos beseelt, wie es Hollywood bis heute nie wieder erreicht hat. Das Timing perfekt, das kesse Lächeln auch während der anstrengendsten Performance ohne Bruch, Debbie Reynolds beherrschte alle Spielregeln der goldenen Hollywood-Ära. Bald schrieben Bewunderer wie François Truffaut sanft-lüsterne Hymnen auf ihre Schauspielkünste.

Mit diesem frühen Ruhm legte sie sich selbst eine ordentliche Fallhöhe vor, zumindest aus Sicht der Boulevardpresse. Reynolds heiratete Mitte der Fünfziger den beliebten Sänger Eddie Fisher, die beiden waren ein Traumpaar für die Klatschblätter, gemeinsam bekamen sie zwei Kinder, Todd und Carrie Fisher. Dann aber brannte der Hallodri Eddie mit Elizabeth Taylor durch, und Debbie war plötzlich nicht nur eine alleinerziehende Mutter, sondern auch eine alleinerziehende Mutter, die weiter arbeiten wollte. Ein doppelter Skandal in den konservativen Fünfzigern. "Ich stehe auf der Bühne und bleibe nicht zu Hause und backe Kekse", sagte Reynolds stolz. Eine frühe Emanzipationsgeschichte natürlich, aber wie sich deren Kehrseite für die Tochter anfühlen musste, kann man auf einer Schwarz-Weiß-Aufnahme aus dem Jahr 1963 sehen. Da sitzt die siebenjährige Carrie Fisher, die noch Jahre von ihrem eigenen "Star Wars"-Ruhm entfernt ist, mit Topfhaarschnitt hinter der Bühne des Riviera Hotels in Las Vegas auf einem Hocker. Sie blickt am Vorhang vorbei zu ihrer Mutter, die im Scheinwerferkreisel die Hände ins Publikum streckt, nur ein paar Meter entfernt, aber doch unendlich weit weg.

Reynolds spielte auch in den Siebzigern und Achtzigern in Kinofilmen und Fernsehshows mit. Ihre Publicity hatte auch mit ihrer zweiten Ehe mit dem Schuhfabrikanten Harry Karl zu tun, der nach ihrer eigenen Aussage erst sein, dann ihr Geld beim Glücksspiel verzockte. Es folgte Scheidung Nummer zwei. Reynolds aber war resolut genug, mit jedem Skandal so offen umzugehen, dass ihre Karriere davon profitierte. Für die Komödie "These Old Broads" (2001) entschloss sie sich, ihrer Rivalin Elizabeth Taylor entgegenzutreten, indem sie an ihrer Seite spielte. Und als Tochter Carrie ein Buch mit dem Titel "Postcards on the Edge" (Grüße aus Hollywood) veröffentlichte, in dem sie eine extrem knifflige Mutter-Tochter-Beziehung beschreibt, spielte sie 1990 einfach in der Verfilmung mit. Carrie schrieb das Drehbuch.

Sie sammelte Tausende Kostüme, darunter Charlie Chaplins Hut und das flatternde Kleid von Marilyn

Dass ihre ganz große Zeit vorbei zu sein schien, kompensierte Reynolds mit der Eröffnung eines Kasinohotels in Las Vegas Anfang der Neunziger, gemeinsam mit ihrem dritten Mann Richard Hamlett. Das ganze Unternehmen endete zwar mal wieder mit Bankrott und Scheidung, aber hier baute Reynolds ihre erstaunliche Sammlung an Hollywood-Memorabilien aus, die heute ein paar Tausend Stücke umfasst. Darunter: Charlie Chaplins schwarzer Hut und Marilyn Monroes flatterndes Kleid.

Trotz der vielen Pleiten und Sportvideos für "Frauen eines gewissen Alters" hat sie ihren Status als große Lady des alten Hollywood immer behalten. Sie hatte selbstironische Divenrollen in den Sitcoms "Golden Girls", "Roseanne" und "Will & Grace", und gemeinsam mit ihrer Tochter saß sie zuletzt immer öfter in Talkshows, nie altersweise, sondern selbstkritisch und neugierig. Die privaten und beruflichen Achterbahnjahre schweißten Mutter und Tochter, die sich ein Leben lang aneinander abgearbeitet hatten, im Alter zusammen.

"Früher haben die Leute gesagt, dieses Mädchen ist die Tochter von Debbie Reynolds, heute heißt es, schaut mal, da ist die Mutter von Prinzessin Leia", sagte Reynolds bei einem der Talkshowauftritte. Am Mittwoch ist Debbie Reynolds, einen Tag nach ihrer Tochter und ebenfalls an den Folgen eines Schlaganfalls, im Alter von 84 Jahren in Los Angeles gestorben.

© SZ vom 30.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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