Nachruf:Hoch und einsam

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Manche nennen es Bluegrass, korrekter wäre "old-timey music, mountain style", wie ihr berühmtester Vertreter, Ralph Stanley, sie bezeichnet hat. Stanley, den auch Bob Dylan bewunderte, ist im Alter von 89 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben.

Von Karl Bruckmaier

High and lonesome. Hoch und einsam. So nennt man den Klang, der charakteristisch ist für eine der ursprünglichsten Arten amerikanischer Volksmusik: The High and Lonesome Sound. Das Wort "innig" sollte noch genannt werden, dann fällt die Vorstellung von dieser in den menschlichen wie geografischen Abgründen der Appalachen beheimateten Musik noch leichter.

Ein Banjo feuert stakkatoartige Rhythmen ab, eine Mandoline balanciert nebenher, gern in höchster Geschwindigkeit. Manche nennen diese Musik Bluegrass, korrekter wäre "old-timey music, mountain style", wie ihr berühmtester Vertreter, Ralph Stanley, sie bezeichnet hat. Stanley ist am Donnerstag im Alter von 89 Jahren an den Folgen einer Hautkrebserkrankung gestorben.

Geboren wurde er im selben Jahr wie die Country-Musik selbst: 1927, als die Carters und Jimmie Rodgers im nahen Bristol vor ein Mikrofon traten. Neben den baptistischen A-capella-Hymnen und den aufjaulenden Mörderballaden aus dem fernen Schottland, die in seiner Heimat ein seltsames Eigenleben entwickelten, lehrte ihn das Radio, lehrten ihn eben jene Carter Family und die Künstler auf der Bühne der Grand Ole Opry, dass man mit den bescheidensten Mitteln, dass man mit ständiger Vereinfachung und Reduktion zum Kern einer Aussage, eines Liedes, einer Melodie vorstoßen kann. Nach dem 2. Weltkrieg begann Stanley zusammen mit seinem Bruder eine oft mühsame Karriere als Musiker, die erst durch das in den späten Fünfzigern aufflammende Interesse der studentischen Jugend an der Musik des "wahren Amerikas" so richtig in Fahrt kam, das sogenannte Folk Revival. Als der Bruder 1966 starb, widmete sich Ralph Stanley ganz der konservativen Pflege des High and Lonesome Sounds und gelangte durch den Soundtrack zum Coen-Brüder-Film "O Brother, Where Art Thou?" schließlich zu echtem Weltruhm. In seiner kleineren, wilderen Welt galt er den meisten ohnehin so viel wie Prince oder David Bowie. So schickte ihm Bob Dylan einst ein Telegramm, das mit den Worten endete: "Sie werden ewig leben." Und wer würde es wagen, Dylan zu widersprechen.

© SZ vom 25.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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