Nachruf:Gamal al-Ghitani gestorben

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Gamal al-Ghitani wurde in Oberägypten geboren, lebte dann in Kairo und war einer der wichtigsten Schriftsteller Ägyptens. Er starb im Alter von 70 Jahren. (Foto: Hossam Diab/dpa)

Der ägyptische Autor Gamal al-Ghitani hatte eine tiefe Abneigung gegen die religiösen Eiferer in seinem Land und war eng befreundet mit Nagib Machfus. Jetzt ist Gamal al-Ghitani im Alter von 70 Jahren gestorben.

Von Sonja Zekri

Es ist kein leichtes Leben in der Autokratie und ein leichtes Schreiben schon gar nicht. Aber schlimmer noch als eine Autokratie ist - zwei Autokratien. Oder sogar drei? Ägypten hat in den vergangenen Jahren eine politische Achterbahnfahrt erlebt: Militärregierungen, Aufruhr, Revolution, Islamisten - kein Wunder, dass es einige Intellektuelle aus der Kurve getragen hat. Zu wem halten? Gilt das Demokratieversprechen auch für Muslimbrüder? Mancher Literat hat über solchen Fragen Glaubwürdigkeit verloren.

Gamal al-Ghitanis Haltung war stets so klar wie die Quellen des Nil und sie stammt aus seiner tiefen Abneigung gegen religiöse Eiferer und seiner Nähe zu Ägyptens Literaturnobelpreisträger Nagib Machfus, der von den Tugendterroristen angefeindet, sogar angegriffen worden war. Nichts hielt Ghitani für so gefährlich für sein Land, für die Region insgesamt wie die Islamisten - außer vielleicht Amerika.

Ghitani, geboren in einem kleinen Dorf im vernachlässigten Oberägypten, aufgewachsen in der Kairoer Altstadt, lernte Teppiche zu entwerfen, ehe er zu schreiben begann. Aber dann schrieb er, den Historienroman "Seini Barakat - Diener des Sultans, Freund des Volkes", das "Buch der Schicksale", "Pyramiden - Eine literarische Expedition" sind auf Deutsch erhältlich. Es sind oft verborgene Kommentierungen der Gegenwart, für den deutschen Leser nicht immer leicht zu entziffern.

Für Ägypten aber, wo er eine enge Beziehung zu Machfus unterhielt und bald die Literaturzeitschrift Achbar al-Adab, Nachrichten aus der Literatur, herausgab, wurde er eine der wichtigsten Stimmen. Gegen den wachsenden Einfluss der Religiösen setzte er die Vernunft, bei aller politischen Kritik am Westen, vor allem an Amerika, beharrte er auf der unbedingten Verbundenheit der Kulturen. In seinem Büro hingen Bilder von Hemingway und Yeats. Und bei einem Besuch vor zehn Jahren erblickte er zwar in den US-Soldaten im Irak die Gesichter von "Faschisten", empörte sich aber zugleich darüber, dass man ihn in München gefragt hatte, ob er ausländische Autoren kenne: "Mein erstes Buch war eine Übersetzung von Viktor Hugo!"

Dann stürzte der Langzeitherrscher Mubarak. Ghitani blieb ein Feind der Islamisten, als die Muslimbrüder an die Macht kamen und auch, als sie weggefegt und verfolgt wurden. Im Kampf gegen die - so sah er das - drohende Theokratie war für ihn das Militär das kleinere Übel. Als der Friedensnobelpreisträger Mohamed el-Baradei für einen Dialog mit den Islamisten eintrat, nannte er ihn einen "Feind des ägyptischen Volkes".

Nun ist Gamal al-Ghitani im Alter von 70 Jahren in Kairo gestorben.

© SZ vom 20.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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