Nachruf:Clyde Stubblefield ist gestorben

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(Foto: John Hart/AP)

Funk ist die Verbindung aus Groove und Disziplin. Der Großmeister dieser Dialektik, der Schlagzeuger Clyde Stubblefield, ist nun gestorben.

Von Jan Kedves

Funk-Musik, das ist im besten Fall eine Erzählung von Freiheit und Strenge, davon, gleichzeitig anzutreiben und sich treiben zu lassen. Groove und Disziplin - oder: Groove durch Disziplin. Ein wahrer Meister dieser Dialektik war Clyde Stubblefield. Er wurde 1965 Schlagzeuger in James Browns Band und besorgte dort - im Tandem mit John "Jabo" Starks, dem anderen Schlagzeuger der Band - die rhythmische Grundlage für Browns heiße Ahs, Ohs und C'mons. Stubblefield, der aus Chattanooga, Tennessee, stammte, war unter anderem auf dem "Sex Machine"-Album von 1970 zu hören. Legendär wurde er durch jene magischen 18 Sekunden, die in Browns Song "Funky Drummer" bei Minute 5:22 einsetzen: acht Schlagzeug-Takte, ein Paradebeispiel für die Gleichzeitigkeit von Lockerheit und Dichte, von "looseness" vs. "tightness". Acht Takte, in denen es so klingt, als würden mit jedem Schlag auf die Zwei jeweils Snare und Stick in die Luft geschleudert und danach drei Schläge lang wieder zu Boden taumeln - während im Hintergrund, auf der geschlossenen Snare, immer weiter sklavisch die Sechzehntel durchticken.

Genau diese Takte - Musiker sprechen von "Breaks" - wurden in den Achtzigerjahren zum Fundament des Hip-Hop, als Rapper begannen, die Musikarchive nach geeigneten Samples zu durchforsten, über die sie ihre Reime abfeuern konnten. "Rebel Without A Pause" von Public Enemy, "Fuck Tha Police" von N. W. A, "Mama Said Knock You Out" von LL Cool J: All diese zwischen 1987 und 1990 veröffentlichten frühen Rap-Hits basierten auf Morrisons "Funky Drummer"-Break. Auch im Pop wurde das Sample schnell beliebt, man hört es etwa im Hit der Fine Young Cannibals, "I'm Not The Man I Used To Be" (1988), und in George Michaels Hit "Freedom! '90".

Ermöglicht wurde all dies natürlich auch dadurch, dass Sampler - jene Studiogeräte, die das Aufnehmen, Modifizieren und Loopen von Audiomaterial erlauben - in den Achtzigerjahren so erschwinglich wurden, dass sogar Heimproduzenten sie sich leisten konnten. Und so ging das "Funky Drummer"-Fieber noch bis weit in die Neunzigerjahre weiter, als in Großbritannien die Produzenten des sogenannten Drum&Bass - zum Beispiel Goldie oder LTJ Bukem - in ihren Samplern das Tempo des Breaks nahezu verdoppelten.

Ja, man kann wohl sagen: Wäre es möglich, auf rhythmische Beiträge zu Kompositionen dieselben Autorenrechte anzumelden wie auf Melodien oder Texte, Stubblefield wäre einer der reichsten Schlagzeuger der Welt geworden. Wurde er aber nicht. Als er Anfang der Nullerjahre an Blasenkrebs erkrankte und seine Behandlung selbst nicht zahlen konnte, sprang Prince als einer von Stubblefields größten Fans ein und übernahm die Krankenhausrechnung von 90 000 Dollar. Dies wurde erst im vergangenen Jahr, nach Princes Tod, bekannt. Am Samstag ist Stubblefield, zu dessen Motorik also die gesamte Welt schon einmal bewusst oder unbewusst getanzt hat, in Madison, Wisconsin, im Alter von 73 Jahren gestorben.

© SZ vom 20.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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