Musiktheater:Alle mal anfassen

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Zwei Darsteller, zehn Rollen: Carolin Waltsgott und Markus Krenek singen in 75 Minuten jeweils fünf verschiedene Figuren. (Foto: Rupert Rieger)

Dean Wilmington hat für das Theater an der Rott Arthur Schnitzlers "Reigen" als Musical neu geschrieben

Von Christiane Lutz

Ein dunkler Nachtclub zu später Stunde. Kein Club mit lauter Musik, nein, eher eine Bar, in der ein Barpianist mit Smoking Klavier spielt. Menschen sitzen an kleinen Tischen und unterhalten sich, Männer und Frauen begegnen sich, kommen ins Gespräch. Natürlich geht es dabei um Flirts, hin und wieder um Liebe, oft um Macht und manchmal nur um Sex. Ziemlich unglücklich sind sie aber alle.

Der Nachtclub ist das Setting, für das sich Dean Wilmington in seinem Musical "Reigen" entschieden hat. Eine naheliegende, aber funktionale Idee, das inzwischen beinahe hundert Jahre alte Theaterstück von Arthur Schnitzler in einen moderneren Kontext zu packen. Dean Wilmington ist Komponist und schrieb den Text und die Musik dieses "Reigen" komplett neu für das Theater an der Rott in Eggenfelden, wo er auch die Musiksparte leitet.

Arthur Schnitzler lässt im Stück in zehn Szenen jeweils einen Mann und eine Frau aufeinander treffen, meistens haben sie am Ende der Szene Sex, was aber bei Schnitzler nur durch Gedankenstrichlein angedeutet ist. In jeder neuen Szene ist jeweils einer der beiden noch auf der Bühne - und in einer neuen Beziehung. Die Uraufführung 1920 in Berlin löste einen der größten Theaterskandale des 20. Jahrhunderts aus. Zu viel Sex, zu viel moralische Verkommenheit, wütende Menschen protestierten vor dem Theater. Aus heutiger Sicht betrachtet ist der "Reigen" fast ein keusches Textlein, inzwischen ist es geradezu unmöglich, auf der Bühne noch mit halbwegs einvernehmlichem Sexszenen zu provozieren. Der Reiz im "Reigen" liegt inzwischen eher in der Betrachtung der Machtstrukturen zwischen den Figuren und in der Spielmöglichkeit, die das Stück Schauspielern bietet.

Wilmington fand den Stoff sofort reizvoll, als Regisseur und Intendant Uwe Lohr damit um die Ecke kam. Auch, weil er sagt: "Deutschland hat im Musical so viel nachzuholen. Es gibt immer noch zu wenig deutsche Stoffe in Neukompositionen." Die bereits existierende Musicalversion des Stückes, "Hello again" (1993) gefiel Wilmington und Regisseur Uwe Lohr allerdings nicht gut genug, als dass sie diese hätten nehmen wollen. Dass es aber doch sehr ambitioniert war, einen Reigen einfach komplett neu zu schreiben, ahnte Wilmington schon.

Zunächst ist da die Schwierigkeit der Szenen: Der "Reigen" ist ein dialoglastiges Stück, es müssen also meist Duette sein, die aber nicht als klassische Duette funktionieren, weil kaum gleichzeitig gesungen werden kann. "Ich habe versucht, für jede Begegnung einen eigenen Sound zu finden", sagt Wilmington. "Wenn die Ehefrau in den Club kommt, ist die Musik bluesig. Wenn das süße Mädchen auftritt, ist die Musik an deutschen Pop angelehnt. Der Fotograf ist Südländer, das klingt mehr nach Latin."

In Eggenfelden wird es nur zwei Sänger geben, Markus Krenek und Carolin Waltsgott, die also in jeder Szene zusammen auftreten und je fünf Rollen singen werden. Alle begegnen sich der Reihe nach im Nachtclub, die Zuschauer werden mittendrin sitzen. Teilweise hat Wilmington die Figuren modernisiert, anders lässt sich der "Reigen" heute auch kaum noch erzählen. So ist der Ehemann bei ihm der Barmann, der Künstler ein Promi-Fotograf und das Stubenmädchen eine Kellnerin.

Dann die Sprache. Wilmington ist Australier, deutsch ist für ihn nicht unbedingt die Sprache, in der er dichten würde. "Deutsch ist eine sehr vertikale Sprache", sagt er und meint damit, dass im Deutschen viele Laute in der Kehle gebildete würden und die Sprache sehr kantig sei, wenig nach vorn fließend, wie etwa italienisch. Dazu kommt die Grammatik: "Wenn du aus einem ,ein' ein ,einem' machen musst, sind das plötzlich zwei Silben, und der ganze Rhythmus ist kaputt". Aus dem Originaltext von Schnitzler hat Wilmington keine Zeile übernommen, alle Songtexte stammen von ihm. "Du bist mein Mann und weißt so viel über mich. Jetzt bist du mal dran, komm' erzähl' über dich" - singt etwa die junge Ehefrau den Barkeeper an, mit dem sie eine Affäre hat. Schnitzlers Sprache in musikalische Rhythmen zu zwängen, sei praktisch unmöglich, sagt Wilmington, so gut sie ihm auch gefiele.

Er selbst wird an dem Abend auch auf der Bühne spielen. Als Barpianist begleitet Wilmington die Sänger selbst. Ein paar Zeilen singen wird er auch, vor allem, um den Bogen von der einen zur nächsten Szene zu spannen und den Schauspielern einen kurzen Moment zum Umziehen und Verschnaufen zu geben.

Reigen , Uraufführung, Fr., 16. November, 19.30 Uhr, Theater an der Rott, Eggenfelden

© SZ vom 16.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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