Musikpreis Echo:Die Klassik-Show muss weitergehen

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Wegen einem Skandal wurde der Pop-Echo abgeschafft, der getrennt vergebene Klassik-Echo aber auch. Das sehen die Klassik-Plattenfirmen nicht ein und machen unter neuem Namen weiter.

Von Reinhard J. Brembeck

Weiter so wie bisher ist immer die schlechteste Möglichkeit. Vor vier Monaten wurde der Echo-Musikpreis abgeschafft, nachdem die Auszeichnung zweier Rapper einen Skandal provoziert hatte ob deren frauenfeindlicher, gewaltverherrlichender und antisemitischer Texte. Nun gab es neben dem Pop-Echo aber auch den - getrennt vergebenen und zelebrierten - Klassik-Echo, der dem Skandal ebenfalls zum Opfer fiel. Das wollten die Klassikplattenfirmen nicht akzeptieren, weil, wie der Hamburger Konzertmanager Burkhard Glashoff es formuliert: "Die klassischen Musiker trifft hier die geringste Schuld, nämlich gar keine." Also haben sich die Klassik-Vermarkter in einem neuen Verein zusammengeschlossen und den neuen Preis "Opus Klassik" erfunden, der bereits Mitte Oktober verliehen wird. Denn dann steht eine Fernsehübertragung an. Weil die Zeit drängt, werden die alten Regularien des Echo erst mal übernommen. Aber was tut's: Klassik hat es ja, ach, überhaupt so schwer im Musikgeschäft, the show must schließlich go on.

Klassik ist nämlich keineswegs mehr eine selbstverständliche Droge für die Massen, wie es die Popmusik ist. Es gibt zu viele Künstler, die zu häufig die bekannten Stücke aufführen. Deshalb hat Klassik im Fernsehen zunehmend einen schweren Stand. Die Branche wollte den angestammten Echo-Sendeplatz nicht leichtfertig aufgeben, in dem Stars wie Anna Netrebko oder Jonas Kaufmann die Attraktivität der Klassik beglaubigen und dadurch das Geschäft ankurbeln.

So gibt sich der neue Preis wie sein Vorgänger als eine Werbeveranstaltung der Klassikplattenindustrie, die sich, das wurde immer wieder kritisiert, nicht dem Diktum einer unabhängigen Jury unterwerfen wollte. Aber würde eine solche Jury viel ändern? Ist es heute nicht endlich das Menschenrecht eines jeden Hörers, aus rein subjektiven Gründen diesen Künstler gut und einen anderen schlecht zu finden? Vielleicht wäre dem neuen Preis also am meisten mit Ehrlichkeit geholfen. Mit dem Eingeständnis, dass da ein durchaus rentabler Industriezweig in eigener Sache Werbung betreibt. Zumal ja Klassik sich noch immer als die hehrste der Künste versteht.

© SZ vom 01.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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