Musik:"Si dolce è'l tormento"

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Foto: Deutsche Harmonia Mundi (Foto: N/A)

Es ist fast schlicht in seiner Machart. Und doch so schön, dass es zu seiner berühmtesten Komposition wurde. Aber warum? Wie hat Monteverdi das angestellt?

Von Reinhard J. Brembeck

Wer jemals verliebt war, oder es aktuell ist, sei's glücklich oder (hoffentlich nicht) unglücklich, der wird seine wild brodelnde Gefühlswelt sofort wiedererkennen in dem anonymen Barockgedicht "Si dolce è'l tormento, Ch'in seno mi sta": So süß ist die Qual in meinem Herzen. Der Text wäre aber nicht beachtenswert, wenn ihn nicht Claudio Monteverdi (1567 - 1643), dieser Erotikmeister aller Klassen, vertont hätte. Wer das Lied auch nur einmal hört, wird von seiner Melancholie, der Süße und der schmerzlichen Intensität sofort hingerissen sein. Kein Komponist, nicht einmal der in Erotiksachen mehr als versierte Mozart (die Cherubino-Arien des "Figaro"!), hat die Verliebtheit so unmittelbar, natürlich und gefühlstief in Töne bringen können wie Monteverdi in diesem nicht zufällig berühmtesten seiner Lieder. Die Sopranistin Dorothee Mields singt das Lied, zusammen mit Wolfgang Katschners "Lautten Compagney", auf dem gerade erschienenen Monteverdi-Album "La dolce vita" auch noch so, dass dem Hörer einfach das Herz stehen bleibt (deutsche harmonia mundi). Der "dolce tormento" wurde noch nie so melancholisch herzzerreißend auf Platte aufgenommen. Was Wolfgang Katschner endgültig als einen der inspiriertesten und eigenwilligsten Alte-Musik-Macher der Szene beweist. Das wirklich Verblüffende aber ist, dass dieses Lied alles andere als kompliziert oder vielschichtig komponiert ist. Es gibt nur zwei Stimmen. Der Bass schreitet stoisch ganztaktig einher, die Mollmelodie tänzelt in einer sanften Dreierbewegung dahin, sie ist mehr Rezitation als Gesang. Es gibt keine großen Sprünge, dafür viele Tonwiederholungen. Zweimal sinkt die Melodie langsam in eine Tiefe, die dem Verliebten die letzte Seligkeit verspricht: Dieses langsam schwingende Lied kann selbst der Unmusikalischste singen. Aber es ist eines der ganz großen Wunder, wie Monteverdi hier bei äußerster Beschränkung der Mittel ein Äußerstes an Ausdruck erreicht. Und zugleich die Verliebtheit, die den von ihr Heimgesuchten als das größte der Gefühle erscheint, als eine ganz einfache Angelegenheit entlarvt. Aber ist das wirklich ein Widerspruch? Sind die größten Dinge im Leben nicht gerade deshalb so groß, weil sie letztlich ganz einfach sind?

© SZ vom 20.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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