Museen und Biennalen:Ein blinder Fleck

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Viele Toristen reisen mit dem Flugzeug an: Hier eine Warteschlange vor dem Louvre in Paris. (Foto: imago)
  • Die zeitgenössische Kunst beschäftigt sich seit Jahren mit dem Klima - erst jetzt fängt sie an, auch ihren eigenen ökologischen Fußabdruck zu hinterfragen.
  • So fordern Direktorinnen und Direktoren großer Museen jetzt in einem Aufruf an die Kulturstaatsministerin Monika Grütters mehr Nachhaltigkeit in Museen - und das Kunsthaus Wien hat sich kurzerhand eigenen Öko-Richtlinien verpflichtet.

Von Catrin Lorch

"Der siebte Kontinent", diese gigantische Insel aus Plastikmüll in den Weltmeeren, war in diesem Jahr Thema der Istanbul Biennale. In den Pavillons der Biennale von Venedig ging es um steigende Meeresspiegel, schmelzendes Packeis und die Auswirkungen der Klima-Katastrophe. Und rechtzeitig vor den Weihnachtsfeiertagen eröffnet die Londoner Royal Academy jetzt "Eco Visions", eine Ausstellung von Visionen zur Ökologie von Architekten, Biologen und - natürlich auch - Künstlern. Die zeitgenössische Kunst beschäftigt sich seit Jahren mit dem Klima und dem Anthropozän, mit Müllbergen und Landschaftsfraß. Aufmerksam richtet die Szene den Blick auf die Welt, sie selbst blieb dagegen lange ein blinder Fleck. Wenn sich große Museen wie die Royal Academy aufwendige Ausstellungen leisten - wie "Eco Visions" - setzt man auf Kunst-Touristen als Besucher, viele reisen aus weiter Ferne mit dem Flugzeug an.

Doch in diesem Winter wird die Szene selbstkritisch: Das Kunsthaus Wien hat sich eigenen Öko-Richtlinien verpflichtet, während die Direktoren großer Museen wie Yilmaz Dziewior, Susanne Pfeffer, Peter Weibel und Peter Gorschlüter in einem Aufruf an die deutsche Kulturstaatsministerin Monika Grütters dringend mehr Nachhaltigkeit in Museen fordern: "Die Kunst kann eine echte Ressource im Kampf gegen Umweltzerstörung werden", schrieben sie in der Zeitschrift Monopol.

Denn auch wenn sich nicht viel daran ändern lässt, dass ein Kunsterlebnis darin besteht, dass man sich vor einer Leinwand, einer Skulptur oder einer Installation einem Original und seiner Aura aussetzt - natürlich gibt es Möglichkeiten, ökologischer zu wirtschaften. Die Klimatechnik von Museen lässt sich in Bezug auf Energieverbrauch optimieren, wie auch das Angebot im Kunsthallen-Cafe und die Anreise-Wege der Besucher.

Aber es ist ja nicht allein der Betrieb, der Ressourcen verbraucht. Auch die Szene ist permanent unterwegs, Großausstellungen, Biennalen und Messen verlangen nach der Anwesenheit der Kenner. Gustav Metzger, Künstler und Aktivist, hat schon im Jahr 2007 seine RAF-Kampagne gestartet, die "Reduce Art Flights" forderte, also die Reduzierung von Kunst-Flügen. "Man sollte dringend etwas unternehmen wegen der Flüge von Künstlern und Galeristen, aber auch wegen der Transporte der Kunstwerke", schrieb er nach einem Besuch der Schweizer Kunstmesse Art Basel, einem Ereignis, das stolz damit wirbt, dass die gesamte Kunstwelt im Frühsommer zu Gast ist. Die Initialen auf den "RAF"-Flugblättern waren nicht zufällig gewählt. Sie sollten an die Propaganda der Royal Air Force erinnern, die während des Zweiten Weltkriegs Flugblätter über Deutschland abgeworfen hatte.

© SZ vom 29.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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