Münchner Kunstmesse:Reiche Tafel

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Ein rarer Gruß aus dem Barock: Früchtestillleben von Abraham Brueghel bei Bernheimer. Abb.: Highlights (Foto: N/A)

Im sechsten Jahre wird die Munich Highlights moderner: mit ambitionierten Crossover-Konzepten und italienischen Partnergalerien.

Von Dorothea Baumer

Vor der Eröffnung schien es nur ein Thema unter den Händlern zu geben: die fatalen Folgen des geplanten Kulturgutschutzgesetzes. Erst der große Auflauf zur Vernissage besänftigte die Gemüter und die prächtige Stimmung der Besucher. Das Aufgebot der Messe ließ keinen Zweifel, dass hier ein Spitzenereignis gefeiert wird. Das ist inzwischen alles andere als selbstverständlich, denn der Handel mit Alter Kunst ist schwierig geworden. Der Sog von Großveranstaltungen wie der Tefaf in Maastricht, aber auch Spezialmessen wie dem Pariser Salon du Dessin und neue Formate wie die Londoner Frieze Masters zehren bei den Kleineren an der Substanz. Und der viel beschworene Geschmackswandel ist zweifellos eine Realität.

Umso erstaunlicher das Schauspiel, mit dem die sechste Ausgabe der Highlights im schönen Ambiente der Münchner Residenz entzückt: Sie ist glanzvoll und sie zeigt es diskret. Sie bewahrt eine selten gewordene Balance von Alter Kunst und Moderne und ist in ihren Schwerpunkten - große europäische Skulptur und Kunsthandwerk aus dem Mittelalter, der Renaissance und des Barock - von unvergleichlicher Qualität. Die Highlights ist zudem moderner geworden - nicht im Sinn von mehr modernen und zeitgenössischen Werken, sondern in ihrem Zugang zur Alten Kunst; in einem mehr oder weniger gelungenen Crossover, in stilübergreifenden Inszenierungen also, wozu auch die offene Ausstellungsarchitektur von Tom Postma beigetragen hat.

Neu angebahnt hat sich in diesem Jahr eine Zusammenarbeit mit Italiens ältester und prächtigster Antiquitätenmesse, der Biennale Internationale dell' Antiquariato in Florenz, von der sich die Verantwortlichen "neue Glanzpunkte" versprachen. Ein von elf italienischen Biennale-Teilnehmern mit einem monumentalen Gemälde von Ludovico Carracci und barocken Marmorskulpturen grandios bestückter Gemeinschaftsstand belegt eindrucksvoll, dass das gelungen ist.

Ein gravierender Verlust ist das Fehlen von Röbbig, eines weltweit führenden Spezialisten für frühe Porzellane. Andererseits ist die Wiener Galerie bei der Albertina Zetter hinzugekommen - mit erstklassigen Jugendstilobjekten, unter anderem natürlich von den Größen der Wiener Werkstätte, Josef Hoffmann und Kolomann Moser.

Ein reiches Spektrum historischer Wohnkultur ist geboten: Vornehmlich Ebenistenwerke aus dem 18. Jahrhundert bei Christian Eduard Franke, wo eine signierte Pariser Kommode von Pierre Garnier mit der reichen Marketerie eines Mannheimer Schreibschranks konkurriert (bei Preisen von 117 000 und 86 000 Euro). Unter den exquisiten Einzelstücken bei Peter Mühlbauer ist eine luxuriöse japanische Lacktruhe der Edo-Zeit um 1630. Ralf Gierhards wiederum misst Skulpturen des 19. Jahrhunderts am Klassizismus eines 1780 entstandenen Sekretärs von David Roentgen (125 000 Euro).

Entsprechende Meisterwerke höfischen Tafelsilbers, darunter eine Augsburger Terrine aus der Silberkammer des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin, finden sich auf einer Prunktafel, die Helga Matzke gedeckt hat. Für programmatisches Crossover macht sich Thomas von Salis im Team mit dem Afrika- und Ozeanien-Spezialist Dierking und Uwe Dobler Interior stark. Besonders subtil ist das Arrangement von Picasso-Studien mit kleinen Kraftfiguren der Ngoni und Makonde. Ein echter Paukenschlag ist der umbrische Schrank mit 25 Götter- und Philosophen-Büsten um 1820, die auch den Weimarer Klassikern gefallen hätten.

Das spannendste Ensemble mit historischem Bogen bis in die Gegenwart ist zweifellos den Händlern Laue, Mehringer Benappi und Sundheimer gelungen. Eine sehr große Schwarz-Weiss-Collage von Eduardo Chillida fungiert hier als Scharnier, das auf ein Augsburger Fassadenmöbel ebenso verweist wie auf das Alabastergrau eines Renaissance-Kopfes des Spaniers Francisco Giralte um 1550. Wie immer fabelhaft bestückt mit frühen Skulpturen und Kunstkammerstücken, imponiert der Doppelstand der Traditionsfirmen Julius Böhler und Anthony Blumka, bestens ergänzt von Kunstkammer Laue, auf deren Topstück, einer bronzenen "Mohrenuhr" von 1690, ein Hund zur vollen Stunde springt (160 000).

Eines der ganz großen Exponate dieser Messe entdeckt man am Stand von Rudigier: ein goldener Corpus Christi der florentinischen Renaissance um 1600, nach einem Modell von Giambologna vom Hofgoldschmied Gasparo Mola gearbeitet. Die spätere Edelsteinmontierung besorgte wohl Johann Melchior Dinglinger in Dresden, als August der Starke die Kostbarkeit erwarb. Dass man dafür über eine Million Euro anlegen müsste, verwundert nicht.

Breiten Raum nimmt die Malerei ein, besonders die Klassische Moderne mit Werken des Blauen Reiters und der Brücke. Sie zählen zu den begehrtesten Trophäen und werden von allen namhaften Galerien aufgeboten: Eine Kohlezeichnung von August Macke bei Utermann, frühe Aquarelle von Ernst Ludwig Kirchner neben Gabriele Münters Gemälde "Bauernhaus bei Regen" bei Thomas, das Aquarell "Tänzelndes Pferdchen", das Franz Marc als Postkarte verschickte, bei Dr. Moeller mit 280 000 Euro ausgezeichnet, oder Alexej von Jawlenskys Genfer-See-Landschaft aus dem ersten Kriegsjahr 1914, die bei von Vertes 450 000 Euro kostet. Die Preisspanne für Malerei und Zeichnung ist weit und reicht bis zu siebenstelligen Summen für die Zimelien mittelalterlicher illuminierter Handschriften (Tenschert).

Die Alten Meister sind hingegen auf dem Rückzug. Auch der Messe-Mitinitiator und Altmeisterhändler Konrad Bernheimer hat nur mehr wie eine Visitenkarte ein barockes Früchtestillleben von Abraham Brueghel aufgehängt und ansonsten das Feld seinen Töchtern mit zeitgenössischer Fotografie und junger Kunst überlassen.

Die Verkaufe seien gut, hieß es schon am ersten Tag der Messe - wenn auch ohne allzu konkrete Angaben. Sammler und Kunsthändler sind verständlicherweise derzeit ganz besonders auf der Hut.

Highlights. Residenz, München. Bis Sonntag. www.munichhighlights.com

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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