Münchner Konzertsaaldebatte:Drinnen, draußen und daneben

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Ein vermeintliches neues Gutachten zum idealen Standort des Münchner Konzertsaals wirft Fragen auf. Ex-Minister Thomas Goppel vom Bayerischen Musikrat spricht von einer Kommunikationspanne.

Von Reinhard J. Brembeck

Als Ende vorigen Jahres mit einem Kabinettsbeschluss der bayerischen Staatsregierung der Bau eines neuen Konzertsaals für München beschlossen wurde, endete eine jahrelange Diskussion. Grundlage für die Entscheidung war ein Gutachten des Architekturbüros Albert Speer & Partner (AS&P). Die Architekten hatten verschiedene Standorte verglichen und das "Werksviertel" hinter dem Ostbahnhof als beste Lösung empfohlen. Alle waren froh, dass die Sache endlich geklärt war, auch wenn die Entscheidung für das Werksviertel gleich wieder neue Kritiker auf den Plan rief. Aber nun, so scheint es, folgt doch noch ein neuer Akt im Drama.

Am Dienstag verbreitete der Bayerische Musikrat eine Pressemitteilung, die behauptete, dass das Büro AS&P sein ursprüngliches Gutachten aufgrund neuer Fakten noch einmal überarbeitet habe. Musikratschef ist Bayerns ehemaliger Wissenschaftsminister Thomas Goppel, der sich leidenschaftlich für einen anderen Standort einsetzt: die noch zum Briefsortieren genutzte Posthalle im Münchner Westen. Nach dem neuen Gutachten, so der Musikrat, sehe AS&P nicht mehr das Werksviertel vorn, sondern eben die Posthalle. Die Aufregung war groß, denn das Büro Speer bestritt, Urheber dieser "korrigierten" Studie zu sein: "Es gibt keine Überarbeitung des ursprünglichen Gutachtens von AS&P. Es gibt dazu auch keine Veranlassung. Das nun suggestiv in Umlauf gebrachte Gutachten stammt nicht aus unserem Büro. Wir distanzieren uns davon", erklärte das Büro der SZ. Und: "Wir finden den Vorgang sehr befremdlich und ärgerlich."

Ein manipuliertes städtebauliches Gutachten, das wäre tatsächlich ein unerhörter Vorgang.

Inzwischen hat die Campo Projekt Entwicklungsgesellschaft München erklärt, dass sie das Papier erstellt hat. Campo ist eine Investorengruppe, die das Posthallengrundstück erwerben möchte, um dort Hotels und Büros zu errichten. Allerdings kann die denkmalgeschützte Posthalle nicht abgerissen und nur schwer umgenutzt werden. Theoretisch ließen sich unter das kühn geschwungene Betondach ein oder sogar zwei Konzertsäle bauen. Nach Angaben von Campo sind die Kosten für das Projekt geringer als jene für das Werksviertel. Experten bezweifeln das.

Die Investoren haben das AS&P-Gutachten mit anderen Zahlen noch einmal durchgerechnet, wobei dann (natürlich?) ihr Projekt gewann. Das Papier war indes laut Campo nur für den internen Gebrauch bestimmt. Mit dem Kabinettsbeschluss habe man es dann auf sich beruhen lassen.

Nur Goppel kämpfte weiter für die Posthalle, er bekam das Papier der Investoren, kurz darauf wurde es über die Pressestelle des Musikrats verbreitet - als AS&P-Gutachten. Was war geschehen?

Der SZ liegen nun zwei Fassungen vor: das interne Investoren-Gutachten und die Musikrat-Version. Letztere ist weniger umfangreich, der ursprüngliche Titel - "Hinterfragung eines Gutachtens" - wurde in ein reißerisches "Der Zweikampf" abgeändert. Zudem fehlt jene Seite, aus der ersichtlich wird, dass das AS&P-Gutachten von Dritten mit anderen Zahlen noch einmal nachgerechnet wurde. Dass Thomas Goppel dieses Papier in seiner Pressemitteilung als "das aktuelle" und das "aktualisierte Gutachten" aus dem Hause AS&P bezeichnet, ist also zumindest irreführend.

Ex-Minister Thomas Goppel spricht am Telefon von einer "Kommunikationspanne"

Thomas Goppel seinerseits erklärt am Telefon, dass die ganze Sache lediglich eine Kommunikationspanne sei. Die Pressestelle seines Musikrates habe keine "Erfahrung" in der Formulierung politischer Statements, er selbst sei in einer Sitzung gewesen und habe nicht auf die Presseerklärung schauen können, ehe sie das Haus verlassen habe.

Darüber hinaus versichert der Ex-Minister, dass es ihm bei seinem Kampf für die Paketposthalle allein um die Sache gehe. Schließlich sei er bayerischer Musikratspräsident und ehemaliger Kultusminister - da müsse er sich einfach für den besseren Standort für einen neuen Münchner Konzertsaal einsetzen. "Ich habe sonst nichts davon", so Goppel.

Die Verwirrung um das angebliche Gutachten dürfte seinen Zielen nicht genützt haben, auch wenn Goppel nicht aufgibt. Er wirbt derzeit im Landtag unermüdlich für die Posthalle. Aber kann er Ministerpräsident Horst Seehofer dazu bringen, von seinem Kabinettsbeschluss abzurücken?

Dazu müssten sich die von Campo vorgelegten Zahlen erst einmal als belastbar erweisen. Vor allem aber wird entscheidend sein, ob das Projekt in der Posthalle tatsächlich billiger wäre als das im Werksviertel. Aus der Investorengruppe ist zu hören, man überlege, ob man dem Staat nicht den Posthallenkonzertsaal zu einem Festpreis anbieten solle, der unter den derzeit prognostizierten Baukosten von 350 Millionen im Werksviertel liegt. Für die Investoren wäre das ein gutes Geschäft, der Konzertsaal würde das Areal aufwerten - und damit auch das Ambiente für Hotels und Büros. Nebenbei könnte es auch um Musik gehen.

© SZ vom 28.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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