Münchner Galerien:Das Prinzip der Ballung

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Synergieeffekte: Die Türkenstraße, gespiegelt in einer Museumsfassade. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Dieses Wochenende feiern die Galerien mit der Open Art wieder den Saisonbeginn. Doch die Szene hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Eine Bestandsaufnahme.

Von Evelyn Vogel

Sie ist im Vergleich zu anderen eine geradezu altehrwürdige Lady, die Münchner Galerienszene. Doch die Aufbruchsstimmung der Sechzigerjahre, in denen die Münchner Galeristen die Kunst aufmischten und mit den von ihnen entdeckten und aufgebauten Künstlern wegweisend für Museen waren, sind längst dahin. Ebenfalls in die Jahre gekommen ist die traditionelle Saisoneröffnung, die Open Art, die an diesem Wochenende zum 27. Mal stattfindet.

Alljährlich versucht man seitens der Initiative Münchner Galerien zeitgenössischer Kunst aus diesem Anlass den Gemeinschaftsgeist neu zu beleben. Aber so recht will das seit Jahren nicht gelingen. Dieses Jahr ist die Zahl der teilnehmenden Galerien spürbar zurückgegangen. Die Münchner Galerienszene verändert sich.

Die Maximilianstraße überlässt man den Boutiquen. Die Zukunft liegt im Kunstareal

Dass die Zeiten für alle schwieriger geworden sind, das bestätigen viele der seit Jahrzehnten maßgeblichen Münchner Galeristen. Zum Beispiel Rüdiger Schöttle, Bernd Klüser und Barbara Gross. Ihnen allen macht die von sieben auf 19 Prozent angehobene Mehrwertsteuer zu schaffen. Die Veränderungen bei der KSK und der VG Bild-Kunst bringen Mehrausgaben und zusätzliche Bürokratie mit sich. Aber natürlich sind davon nicht allein die Münchner betroffen. Nur sind hier - anders als beispielsweise in Berlin - die Mieten so hoch, und es gibt so wenige geeignete Räume, dass diese zusätzlichen Belastungen besonders zu Buche schlagen.

Wer hier auf der Suche nach neuen Räumen ist, muss Geduld haben. Diese Erfahrung macht gerade Six Friedrich. Auch sie ist eine Galeristin, die - wie Sabine Knust - prägend für die Anfangsjahre war. Zuletzt unterhielt sie mit ihrem Sohn Max Weber fünf Jahre lang eine Galerie in der Prinzregentenstraße. Nun suchen beide seit Längerem nach etwas Neuem. Sie wollen auf jeden Fall ins Kunstareal.

Denn eine - auch deutlich sichtbare - Veränderung in der Münchner Galerien-Landschaft ist die, dass ihr Herz nicht mehr in der Maximilianstraße schlägt. Wo sich früher Galerie an Galerie reihte und das Publikum auf einer Straßenseite hinauf und auf der andere hinunter flanierte, muss man die wenigen Galerien hier heute fast suchen. Sicher, da gibt es noch Fred Jahn, einen der Granden der Münchner Szene, zudem Rieder und American Contemporary sowie weiter unten Tanit und Spielvogel. Häusler liegt zumindest ums Eck, Binder und Mayer sind in Laufweite. In anderen Stadtvierteln gibt es relativ stabil eine kleinere Anzahl von Galerien. The place to be aber, das ist seit einiger Zeit das Kunstareal.

Hier, wo sich die Pinakotheken befinden, wo 2009 das Museum Brandhorst und 2013 das Ägyptische Museum eröffnet wurden, wo sich insgesamt 16 Museen, Ausstellungshäuser, Kulturinstitutionen und sechs Hochschulen ballen - und eben mehr als 40 Galerien, hier schlägt nun das Herz der Münchner Kunstszene.

Viele Galeristen sind in den vergangenen Jahren hierher gezogen, weil sie sich von den Pinakotheken Synergieeffekte versprechen. Ruetz und Wittenbrink, davor schon Gross, Storms, Schöttle und die beiden Van de Loos. Auch Renate Bender kam aus der Maximilianstraße hierher, ihr bisheriger Nachbar Trampler ist ebenfalls an den Rand des Viertels gezogen, und Thomas, die mit ihrem "Modern"-Ableger seit einigen Jahren hier beheimatet sind, haben ihre Räume mit der klassischen Moderne in der Maximilianstraße zum Sommer aufgegeben, um ihre gesamten Aktivitäten nun ebenfalls aufs Kunstareal zu konzentrieren.

Andererseits sind auch einige Galerien aus dem Kunstareal verschwunden. Zum Teil gerade jene, die jüngere zeitgenössische Kunst gezeigt haben. Schon vor einiger Zeit Traversée, dann Andreas Grimm. Jüngst auch Davis-Klemm, die ihr München-Intermezzo eingestellt haben, und Esther Donatz, die wieder in ihren Brotberuf zurückging, den sie nie ganz aufgegeben hatte. Sie war, erzählt sie, nach einigen Jahren an einem Punkt angelangt, wo sie sich ganz auf das Kunstgeschäft hätte einlassen müssen - oder aussteigen.

Ebenfalls im Moment vom Radar verschwunden sind Nusser & Baumgart. Gregor Nusser zweifelte sogar am Standort München selbst, doch mittlerweile glaubt er: "Es liegt nicht an München. Wenn man nicht gerade in London oder New York ist, sind die Besucherzahlen überall rückläufig - auch in Berlin. Die klassische Galeriearbeit stößt an Grenzen." Deshalb will er in hier wieder Räume finden.

Auch rund um den Odeonsplatz verändert sich etwas. Der legendäre Münchner Händler Konrad Bernheimer geht mit seinen alten Meistern ganz nach London und gibt die Räume in der Briennerstraße Ende des Jahres auf. Seine Tochter Blanca verstärkt ihr Engagement für die Fotografie in Luzern, will aber in München sichtbar bleiben. Mehr verrät sie dazu noch nicht. Daniel Blau wiederum hat seine Galeristentätigkeit aufgegeben und unterhält nur noch ein Büro. Wo? Ausgerechnet dort, wo einst das Herz der Szene schlug: in der Maximilianstraße.

Open Art München . Samstag und Sonntag, 11-18 Uhr. www.openart.biz.

© SZ vom 12.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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