Mode:Schöner Schein

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Die Ausstellung "Gretchen mag's mondän" blickt kritisch auf die Damenmode der Dreißigerjahre

Von Evelyn Vogel, München

Wie oft zieht man sich als Frau am Tag um? Sollte es mehr als viermal der Fall sein, hält man wenigstens annähernd den Standard, der für die perfekt gestylte Frau der 1930er Jahre offensichtlich zu gelten hatte. Jedenfalls hegt man als modernes Gretchen nach dem Besuch der neuen Ausstellung "Gretchen mag's mondän" im Stadtmuseum den dringenden Wunsch, sich für seinen nächsten Tagesordnungspunkt umzukleiden.

Während wir uns heute mit einem Allround-Outfit zufrieden geben, sollte sich dir Frau von Welt damals - wenn es nach den Vorstellungen der Modemacher jener Zeit ging - zigmal umziehen. Schon der morgendliche Pyjama hatte zum Seidenkimono und den Pantöffelchen zu passen. Das Tageskleid musste praktisch und verhältnismäßig dezent sein. Für den nachmittäglichen Kaffeeklatsch wählte die Dame etwas Elegantes mit etwas mehr Farbe. Dazu passend immerzu die Hüte, Handschuhe, Schals und anderen Accessoires.

Zur Cocktailstunde musste es schon mondäner sein: lange, fließende, exquisite Stoffe, so dass man auch für den Theaterbesuch danach gerüstet war, sollte man sich nicht mehr umziehen können. Dort aber wäre selbstverständlich ein glänzend aufwendig gearbeitetes Abendkleid angemessen. Und dass man sich nach der Heimkehr für den Göttergatten natürlich ein weiteres Mal in Samt und Spitze schmiss, um die Femme fatale zu geben, entsprach zumindest der Männerphantasie. Ob das tägliche Leben wirklich so war, steht zu bezweifeln.

Interessant an der Schau im Stadtmuseum ist, wie intensiv sie die Mode der Dreißigerjahre im politischen Zusammenhang aufarbeitet. Auch wenn Hitler die deutsche Frau gerne als Gretl im Dirndl und mit Haarkranz oder als schwer arbeitende Ehefrau und Mutter sehen wollte, er selbst umgab sich gerne mit mondänen Damen, und die Mode richtete sich nach dem Pariser Vorbild. Am Eingang bei der umfangreichen Präsentation der Modemagazine gibt es Hinweise auf Zwangsarisierung bei Verlagen wie Ullstein, zu sehen sind Einleger, die auf das "rein deutsche Unternehmen" hinwiesen oder Aufrufe wie "Reist in die deutschen Bäder und Kurorte". Auf den Erläuterungstafeln wird immer wieder auf die Zwangsarisierung eingegangen, die Modemacher und Modevermittler wie Fotografen und Texter ausschloss. In der Ausstellung wird mehrfach auf die Adefa, die Arbeitsgemeinschaft deutsch-arischer Fabrikanten, hingewiesen, deren Etiketten einem, so Kuratorin Isabella Belting, beim Anfassen der seidigen Stoffe dann doch einen Schauer über den Rücken jagen.

Aber anfassen kann man die Sachen ja kaum. Konservatorisch hinter Glas verbannt und schwach beleuchtet steht die Ausstellung in irrsinnigem Kontrast zu der Gaultier-Schau in der Hypo Kunsthalle. Aber das ist auch gut so. Denn wäre diese Modenschau so sinnlich-leicht präsentiert, wäre es leichtsinnig.

Gretchen mag's mondän. Damenmode der 1930er Jahre, Münchner Stadtmuseum, St.-Jakobs-Platz 1, bis 29. Mai, Di-So 10-18 Uhr, Katalog Hirmer Verlag

© SZ vom 25.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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