In Berlin gibt es viele Nebelkrähen. Sie sind nicht bei allen Berlinern beliebt. Zum O-Ton der Stadt gehört das Schimpfen über die "Aggro-Krähen". Auch hängt ihnen, da Aasvertilger und Allesfresser, ihr Ruf als "Galgenvögel" an. Eines ihrer verlässlichen Asyle aber ist die Literatur.
Da können sie es, bedenkt man ihre Beliebtheit in Lyrik, Prosa und Dramatik, locker mit ihren weitläufigen Verwandten, den Paradiesvögeln, aufnehmen. Zu ihren freundlichen Beobachtern gehört die Schriftstellerin Monika Maron, die in Schöneberg lebt und mit lokalen Krähenschwärmen Kontakt aufnahm, indem sie beim täglichen Ausführen ihres Hundes jeweils eine Handvoll Hundefutter verstreute, das nicht für den Hund gedacht war. An anderer Stelle der Stadt war etwa zur gleichen Zeit der langjährige taz-Redakteur Helmut Höge unterwegs, um für seine Reihe "Kleiner Brehm" den Band "Rabenvögel" vorzubereiten.
In der Wissenschaft fusioniert die Beobachtung mit der Statistik. Die Einzelbeobachtung zählt hier wenig. In der Literatur verbündet sich das Beobachten mit der Erzählung und der Anekdote. Und die Feldforschung fusioniert mit der Bibliothek. Helmut Höge ist selber ein Allesfresser. Sein in Berlin, Bombay und anderswo zusammengetragener Anekdotenschatz ist in eine Anthologie zu den Rabenvögeln und "Bird-Watchern" in Literatur und Wissenschaft eingebettet, und Monika Maron stößt auf die Krähen der Annette von Droste-Hülshoff, auf Theodor Fontane und die Putzfrau Fania aus Philip Roths Roman "Der menschliche Makel". Zwei schmale Bände, gut geeignet für die Lektüre auf Parkbänken.
Helmut Höge: Rabenvögel. Kleiner Brehm 11. Verlag Peter Engstler, Ostheim 2017. 52 S., 10 Euro. Monika Maron: Krähengekrächz. Mit einem Nachwort von Elke Gilson. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016. 64. S., 12 Euro. E-Book 10,99 Euro.