Michail Saakaschwili bei Maybrit Illner:Wie im richtigen Leben

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Bei "Maybrit Illner" prallen Georgiens Präsident Michail Saakaschwili und der russische Diplomat Igor Maximytschew auf einander. Wie in der Realität reden sie nicht miteinander, sondern nur übereinander.

C. Kahlweit

Es gehört einiger Mut dazu, Michail Saakaschwili in eine Talkshow einzuladen - der Georgier, der in den USA sein Englisch und seine Rhetorik gelernt hat, ist bekanntlich schwer zu bremsen.

Maybrit Illner in ihrer Sendung mit Volker Rühe. Zugeschaltet war Georgiens Präsident Michail Saakaschwili. (Foto: Foto: dpa)

Umso gefährlicher ist ein solches Wagnis, wenn man einen Staatspräsidenten, der gerade einen Krieg verloren hat, nicht live im Studio hat, wo mit offensivem Einsatz von Stimme und Körpersprache auch Dauerredner einigermaßen zu steuern sind, sondern ihn zuschaltet: Die Leitung stand offenbar erst ganz knapp vor der Sendung, wie Maybrit Illner am Donnerstag in ihrer ersten Sendung nach der Sommerpause anfangs leicht gestresst anmerkte.

Und Saakaschwili war ganz offensichtlich nicht gewillt, sich während seines Auftritts im deutschen Fernsehen fernsteuern zu lassen.

Steinerne Miene, eisenharte Haltung

Er war gut vorbereitet - mit Zetteln und Kartenmaterial und Zeigestock - und präsentierte wortgewaltig seine Version des Konflikts: Wo die Russen angegriffen, wo sie Osseten und Abchasen vertrieben hätten, was von seinem Land nach dieser Aggression noch übrig sei.

Damit war der junge, agile Amerika-Fan Saakaschwili in vielerlei Beziehung ein faszinierender Gegenpart zu dem alten, erfahrenen, russischen Diplomaten, den sich Illner als Sprachrohr Moskaus ins Studio geholt hatte: zu Igor Maximytschew, dem letzten Gesandten des Kreml in Ostberlin.

Maximytschew ist Außenpolitiker der alten, sowjetischen Schule: klassische Bildung, kultiviertes Deutsch, steinerne Miene, eisenharte Haltung.

Beide Männer präsentierten ihr Land als Opfer - der eine Georgien als Opfer der machthungrigen Russen, die diesen Krieg lange vorbereitet hätten, der andere Russland als Opfer der Nato und der USA, die ihre strategischen Planspiele auf dem Rücken seines Landes austrügen.

Der Rest der Runde - die Grünen-Politikerin Marieluise Beck, Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe, Autor Peter Scholl-Latour und Klaus Mangold vom Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft - durfte ein paar kritische Anmerkungen beisteuern.

Aktuell und politisch

Zentral aber war der Disput, der keiner war, denn Maximytschew und Saakaschwili richteten das Wort kein einziges Mal an einander. Man sprach über einander - so wie das derzeit im richtigen Leben zwischen Westen, Möchtegern-Westen und Rest-Osten auch der Fall ist.

Nun könnte man maulen, gelungen sei eine Talkrunde dann, wenn alle Teilnehmer lebhaft diskutieren. Andererseits: Nach den jüngsten Ereignissen, die womöglich die Koordinaten der internationalen Politik auf Monate, ja Jahre verändern werden, wäre es eine journalistische Todsünde gewesen, auf Einlassungen aus erster Hand zu verzichten.

Das machte Illners Sendung im Kern zu einer aktuellen und politischen Talkshow - und eine solche hat es in letzter Zeit verdammt selten gegeben.

© SZ vom 30.08.2008/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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