Mediaplayer:Die Eltern, der Sohn und die RAF

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Margarethe von Trotta blättert in ihren alten Tagebüchern. (Foto: Börres Weiffenbach)

Felix Moellers Dokumentarfilm "Sympathisanten" über die Unterstützerszene der Roten Armee Fraktion.

Von David Steinitz

"Wer da liebäugelt, macht sich mitschuldig", schimpfte der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt über die Unterstützerszene der "Roten Armee Fraktion". Ihm schwebte im Kampf gegen die RAF nicht nur eine "moralische Isolierung der Terroristen", sondern auch die "moralische Ernüchterung noch der letzten Sympathisanten" vor.

Das sagt Schmidt in einem alten Fernsehauftritt, der am Anfang des Dokumentarfilms "Sympathisanten" steht. In dem Film beschäftigt sich der Regisseur Felix Moeller mit jenem Intellektuellenmilieu aus Künstlern, Hochschulmitarbeitern und Journalisten, die der RAF verbunden waren - manche rein ideologisch, andere auch ganz praktisch. Ein geliehener Pass hier, ein versteckter Koffer mit Waffen da.

Natürlich gibt es über diese Zeit schon zahlreiche Filme; insbesondere über den "Deutschen Herbst" 1977, von der Entführung und Ermordung Hanns Martin Schleyers bis zu den Selbstmorden der in Stammheim inhaftierten RAF-Mitglieder Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Carl Raspe. Der Regisseur wählt für seinen Film aber einen neuen, persönlichen Zugang, denn er ist wortwörtlich ein Kind jener "Sympathisanten". Moeller ist der Sohn der Schauspielerin und Regisseurin Margarethe von Trotta und der Stiefsohn ihres damaligen Lebensgefährten, des Regisseurs Volker Schlöndorff. Beide waren engagierte Linke der alten Bundesrepublik, und beide erzählen im Film ihre Sicht der Ereignisse. Das funktioniert deshalb so gut, weil Moeller sich selbst als kindlichen Protagonisten ins Spiel bringt. Der Filmemacher, Jahrgang 1965, war damals noch zu jung, um alles zu verstehen, aber alt genug, um mitzubekommen, was passiert. Die idealen Voraussetzungen also, um neugierige Fragen zu stellen, und das tut er auch jetzt, im Alter von 53, mit einer kindlichen Neugier wie auch Skepsis gegenüber dem Verhalten der Eltern.

Margarethe von Trotta liest aus ihren alten Tagebüchern vor, Volker Schlöndorff blättert durch seine Hermès-Kalender, die er seit 1963 führt, als sein Mentor Louis Malle ihm das erste Heftchen schenkte. Auch andere Zeitzeugen kommen zu Wort, der Musiker Marius Müller-Westernhagen zum Beispiel oder der Sohn von Heinrich Böll, René Böll. Zu diesen Interviews in Altbauwohnungen mit knarzenden Parkettböden und deckenhohen Bücherregalen - die linksrebellischen Protagonisten haben im Lauf der Jahrzehnte doch eine gewisse Bürgerlichkeit erreicht - kommen Archivaufnahmen aus den Siebzigerjahren.

Von Trotta berichtet, wie sie 1978 zu einer Nacht "Ordnungshaft" im Gefängnis verurteilt wurde und dadurch zu der Überzeugung kam, dass es ohne die Isolationshaft der damaligen RAF-Akteure wohl gar keinen Deutschen Herbst gegeben hätte - und auch keine Sympathisanten.

Volker Schlöndorff erzählt, wie er noch am Tag vor dem Tod des Terroristen Holger Meins, der im Gefängnis in den Hungerstreik getreten war, mit dem Gefängnisarzt telefoniert habe, ob der Mann nicht irgendwie zu retten sei. Und beide erinnern sich an das "Klima der Denunziation" und an die Reaktionen, die man als RAF-Sympathisant abbekam. So wurde Schlöndorff einst der Pass geklaut, aber bei der Polizei unterstellte man ihm sofort, er habe den Ausweis der RAF geliehen, weil er als Unterstützer bekannt war.

Der Regisseur Felix Moeller hat schon an mehreren Filmen über das Kino des Nationalsozialismus mitgearbeitet und unter anderem auch das spannende Buch "Der Filmminister" geschrieben, in dem er Goebbels' Tagebücher auf alle Eintragungen zu dessen Filmleidenschaft durchforstete. Er ist gelernter Historiker und dadurch auch ein kritischer Filmemacher. Dass die Sympathien für die RAF durchaus auch ein ideologisches Modeaccessoire waren und nicht nur der Staat im Deutschen Herbst Fehler gemacht hat, ist ebenfalls ein Thema seiner beeindruckenden Dokumentation. Die Sympathisanten hielten die Repräsentanten des Staates für Faschisten, und umgekehrt wurden sie als potenzielle Terroristen wahrgenommen. Aber, wie es ein Zeitzeuge im Film schildert: "Wir sind alle schlampig mit der Wahrheit umgegangen."

Sympathisanten ist auf DVD erschienen (NFP) sowie als Video on Demand verfügbar.

© SZ vom 05.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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