Mediaplayer:Der Schattenmann

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Louise Brooks in "Die Büchse der Pandora" (1929). (Foto: Alleskino)

Schönen Gruß aus dem Spannungsfeld des frühen deutschen Films: Eine kleine Online-Werkschau des legendären, aber wenig bekannten Regisseurs G.W. Pabst, der, 1885 in Böhmen geboren, sowohl Stumm- als auch Tonfilme drehte.

Von Tobias Sedlmaier

Der deutsche Film in den Zwanziger- und frühen Dreißigerjahren war ein experimentelles Spannungsfeld. Einerseits die Ära von Stummfilm und Expressionismus, von Robert Wiene, Friedrich Wilhelm Murnau, Fritz Lang. Regisseure, die die Bösen und Wahnsinnigen in ihrem verwinkelten Spiel aus Licht und Schatten zeigten: Caligari, Mabuse, Nosferatu. Schließlich die verkniffenen Züge der Maschinenfrau Maria in "Metropolis". Aber auch der Tonfilm entwuchs mehr und mehr seinen Kinderschuhen: Marlene Dietrich lockte singend in "Der blaue Engel", Peter Lorre pfiff sich diabolisch durch "M - Eine Stadt sucht einen Mörder". Allesamt Bilder und Szenen aus Klassikern des Stummfilms beziehungsweise frühen Tonfilms der Weimarer Republik.

Einer, der beide Formen wesentlich mitgestaltete, aber heute etwas im Schatten der genannten Kollegen steht, ist Georg Wilhelm Pabst. Der 1885 in Böhmen geborene Regisseur drehte sowohl Stumm- als auch Tonfilme und war auch in der Nachkriegszeit noch aktiv. Obwohl seine Filme zu den bekanntesten Kinobildern jener Zeit beitrugen, lässt er sich noch weniger einordnen als seine zeitgenössischen Kollegen. Ihm wurde einfach aus Verlegenheit, ähnlich wie es auch manchem Literaten erging, das Label "Neue Sachlichkeit" übergestülpt, das Pabst selbst ablehnte. Er war ein Mann für die leiseren, sozialkritischen Töne, weniger fürs Spektakel. Und war dazu nicht immer mit Glück gesegnet. Seine Verfilmung der Brechtschen "Dreigroschenoper" war ein Unternehmen mit Startschwierigkeiten. Brecht sah sein Originaldrehbuch nicht ausreichend berücksichtigt - es kam zum Rechtsstreit mit den Produzenten, der in einem Vergleich endete. In der "Büchse der Pandora" schuf Pabst 1929 sein wohl bis heute bekanntestes Werk. Die Geschichte einer Frau, der die Männer bis auf den Tod verfallen, basierte auf den Stücken "Der Erdgeist" und "Die Büchse der Pandora" des expressionistischen Dramatikers Frank Wedekind. Zusammengefasst sind beide auch als "Lulu" bekannt. Hauptdarstellerin war die Amerikanerin Louise Brooks, mit dem für die Zwanziger typischen wunderbaren Bubikopf: "Solche Frauen liebt man nicht. Das wäre Selbstmord", bekennt auch ihr Geliebter Dr. Schön im Film, ehe seine Pistole diese Warnung bestätigt. Brooks selbst wurde nie zu einem Star wie etwa Marlene Dietrich; in Erinnerung blieb vor allem ihre Frisur unterm kecken Hut.

Die Chance, Georg Wilhelm Pabst und sein Schaffen neu zu entdecken, bietet derzeit eine kleine Filmauswahl auf dem Portal alleskino.de. Der Video-on-Demand-Anbieter, der bereits häufiger Retrospektiven deutscher Filmemacher wie etwa Rudolf Thome im Angebot hatte, stellt fünf Filme des Regisseurs als Stream bereit. Neben den beiden oben genannten sind das psychologische Drama "Geheimnisse einer Seele", der Kriegsfilm "Westfront 1918" und "Kameradschaft", der von deutsch-französischer Verbrüderung aufgrund eines Bergarbeiterunglücks erzählt, entweder als Leih- oder als Kauffassung abrufbar. Sehenswert sind sie alle, gerade in der angebotenen guten Qualität, die auf kostenlosen Portalen wie Youtube so nicht zu finden ist. Besonders "Westfront 1918 - Vier von der Infantrie" hätte sich eine höhere Wertschätzung der Filmhistorie verdient. Entstanden im selben Jahr wie "Im Westen nichts Neues" (1930) steht er diesem in der Darstellung des Alltags im Ersten Weltkrieg in nichts nach, im Gegenteil. Die vier titelgebenden Infanteristen erleben an der Front und in der Heimat die Kriegsfolgen, die mit einer für damalige Verhältnisse ungewohnten Härte geschildert werden. Brutale Kämpfe im Schlamm, Granatenhagel, abgerissene Gliedmaßen - und das ohne die offensichtliche Glorifizierung der Kämpfe, in welche die meisten zeitgemäßen Produktionen einstimmten. Hinter der Einblendung "Ende" steht neben dem Ausrufezeichen auch ein Fragezeichen, eine Ahnung, die sich bewahrheiten sollte. Wie die meisten anderen Filme von Pabst, wurde auch dieser in der NS-Zeit verboten; der Regisseur durfte bis 1945 nur noch anspruchsloses Historienpathos drehen. Nach dem Krieg folgte ein künstlerisches Auf und Ab, bis Pabst, an Alzheimer erkrankt, das Filmen aufgeben musste. 1967 starb er in seiner österreichischen Heimat.

© SZ vom 14.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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