Mediaplayer:Der mörderische Freund

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Beklemmung, Misstrauen, Gewissen und Blutrausch: Die jungen Soldaten auf Patrouille in Afghanistan. (Foto: Universum)

Mit dem Spielfilm "Kill Team" füllt der Regisseur Dan Krauss Lücken einer brutalen Story, die er mit der gleichnamigen Doku über eine amerikanische Einheit in Afghanistan nicht schließen konnte.

Von Sofia Glasl

Sie nannten sich selbst das "Kill Team". Fünf amerikanische Soldaten wurden 2010 im Afghanistaneinsatz in Kandahar des Mordes an Zivilisten beschuldigt - und verurteilt. Einer der Männer zog die Reißleine und wurde zum Whistleblower, nachdem er genötigt worden war, selbst an einem Mord mitzuwirken. Das gesamte Team bekam Haftstrafen zwischen drei Jahren und lebenslänglich. Der Dokumentarkameramann Dan Krauss machte 2013 einen Film daraus und erntete für seine beklemmende Studie viel Lob und einige Preise. Jetzt legt er denselben Stoff nochmals als Spielfilm vor. Sogar der Titel ist der gleiche: "The Kill Team".

Man könnte Krauss nun vorwerfen, mit recht wenig Aufwand noch einmal Geld scheffeln zu wollen, zumal im aktuellen amerikanischen Kino neben Franchises und Literaturverfilmungen hauptsächlich noch Filme Finanzierung erhalten, die auf wahren Begebenheiten basieren.

Krauss mag diesen Trend für "The Kill Team" genutzt haben, doch fiktionalisiert er nicht einfach seinen eigenen Dokumentarfilm. Vielmehr ist der Spielfilm ein Companion Piece, also ein Ergänzungsstück. Denn im Dokumentarfilm klafft ein schwarzes Loch, um das alle Beteiligten zu gravitieren scheinen: der Drahtzieher der gesamten Aktion, Staff Sergeant Calvin Gibbs. Er ist der einzige, der Krauss kein Interview geben wollte und doch entsteht in den Erzählungen der jungen Soldaten ein beinahe mythisches Bild von ihm. Obwohl er sie zum Mord angestiftet hat und letztendlich ins Gefängnis brachte, sprechen sie erstaunlicherweise immer noch mit Bewunderung von ihm.

Die Situation der jungen Soldaten wird nachfühlbar

In seinem Spielfilm nun füllt Krauss genau diese Leerstelle und fühlt der merkwürdigen Anziehungskraft dieses Sergeants nach. Im Film heißt er Deeks und wird vom schwedischen Darsteller Alexander Skarsgård gespielt. Er zeichnet Deeks als enigmatischen und manipulativen Verführer, der mit jedem Schritt auslotet, bis wohin ihm die Soldaten seiner Einheit folgen würden. Mit seinem jugendlichem Aussehen, mit väterlichem Schnurrbart und Grillabenden, bei denen er in rosafarbener Schürze den Gönner gibt und jedem zum Steak noch ein Pornoheft zusteckt, gewinnt er das Vertrauen der Jungen und inszeniert Krieg als heimeliges Ferienlager. Doch jede Sekunde kann sein kumpelhaftes Lächeln in ein eisiges Grinsen umschlagen. Skarsgård genügt nur ein kleines Nicken, ein fast unmerkliches Strecken des Rückens, ein Senken der Stimme, um aus dem väterlichen Freund einen berechnenden Manipulator zu machen. Mehrfach spielt er die Soldaten gegeneinander aus und jubelt den erschossenen Zivilisten Waffen unter, um die Morde zu vertuschen. Das ist das Heimtückische an dieser Figur, auch im Vergleich zum Archetypus des filmischen Militärvorgesetzten. Sergeant Hartman in Stanley Kubricks "Full Metal Jacket" aus dem Jahr 1987 baute sich nur Millimeter vor seinen Kadetten auf und brüllte ihnen speichelnass "Hier wird nicht gelacht, hier wird nicht geweint" ins Gesicht. Da war die Hackordnung sofort klar. Deeks hingegen inszeniert perfide Machtspiele und lässt die jungen Soldaten immer genau dann abschmieren, wenn sie am verletzlichsten sind. Ein mitleidig gehauchtes "Wenn Du emotional werden willst, dann bitte nicht hier" vom vermeintlichen Freund sitzt tief, weil es einem Verrat gleichkommt.

Der Afghanistaneinsatz wird konsequent subjektiv aus Private Andrew Briggmans Perspektive erzählt, gespielt von Jungdarsteller Nat Wolff. Der junge Soldat hinterfragt mehrfach die Gepflogenheiten, ist jedoch von Gruppendruck und Kameradschaft innerlich zerrissen. Zudem ist er weiterhin dem Bann verfallen, den das Militär und vor allem Sergeant Deeks auf junge Männer ausüben. Zuhause spielte er in seinem Kinderzimmer Kampfeinsätze nach, mit Deeks Ego-Shooter auf einer Konsole. Nachdem er genötigt wurde, an einem Mord teilzunehmen, steht neben seiner Verstörung und dem Entsetzen auch adrenalingeschwängerte Erleichterung in seinem Gesicht.

Krauss' Drehbuch ist immer dann am stärksten, wenn es diesem Spannungsfeld aus Beklemmung, Misstrauen, Gewissen und Blutrausch Raum gibt und es den Schauspielern ermöglicht, diesen ständigen inneren Widerspruch auszuloten. So macht er die Situation der jungen Soldaten nachfühlbar, ohne sie in Schutz zu nehmen.

The Kill Team ist bei Universum auf DVD und Blu-ray erschienen und als Video on demand verfügbar.

© SZ vom 13.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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