Mediaplayer:Auf Tauchstation

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„Treasures from the Wreck of the Unbelievable". (Foto: VG Bildkunst, Bonn 2018/ Netflix)

Kunstmarkt-Star Damien Hirst zeigt einen Werbefilm auf Netflix, der im Stil einer Fake-Dokumentation gedreht wurde. Er hilft beim Abverkauf der Werke an Superreiche.

Von Catrin Lorch

"Schätze aus dem Wrack der Unglaublichen", der erste abendfüllende Film des britischen Kunstmarkt-Stars Damien Hirst, feiert dieser Tage Premiere. Allerdings nicht in den Filmräumen der großen Museen, sondern auf Netflix. Und gleich vorweg: Es handelt sich um ein Mockumentary, also eine dieser gefälschten Dokumentationen, die das Genre unterlaufen und - ganz gleich ob Parodie oder Verschwörungstheorie - oft viel Charme haben und Witz.

Dieser nicht. Schon weil der Film - sichtbar mit dem gleichen Aufwand gedreht und produziert wie eine ernstzunehmende BBC-Expedition - nun mit gut zehn Monaten Verspätung dem jüngsten Ausstellungsprojekt von Hirst hinterher geschoben wird. Man muss vielleicht kurz festhalten, dass Damien Hirst, geboren 1965, bis ungefähr zur Jahrtausendwende als durchaus ernst zu nehmender Young British Artist galt, Abteilung Konzept, Installation, Malerei. Seither kann man seine Projekte eher in Kategorien wie "neuester Streich" verhandeln. Vom diamantenbesetzten Totenkopf bis zur Groß-Auktion mit ausschließlich seinen Werken, bei der am Vorabend der Lehmann-Pleite 200 Millionen Dollar erlöst wurden.

An solche Spektakel sollte eine Doppelschau anknüpfen, die im vergangenen Frühjahr die Privatmuseen seines Sammlerfreundes Francois Pinault in Venedig in vorgebliche Archäologische Institute verwandelte, die einen Sensationsfund vom Meeresgrund zeigten. Skulpturen, Antiken, Kultgegenstände, Marmor und Gold, Apoll, Buddha, Zeus - eine gewaltige Klitterung, die allerdings atelierfrisch aus Hirsts Werkstatt angeliefert worden war. Die gut zweihundert monumentalen Skulpturen wurden zusammengehalten durch die Erzählung, es handele sich um die Sammlung eines ungefähr unter Nero entlaufenen, zu mythischem Reichtum gelangten Sklaven, die mitsamt einem gewaltigen Schiff vor Ostafrika gesunken sei. Leuchtkästen mit Unterwasserfotos belegten die Story - der Film ist nun die Ausweitung dieses Konzepts auf gut 82 Minuten: Sattbunte Aufnahmen von Riffen, historisches Material, Interviews mit vorgeblichen Wissenschaftlern und Expeditionsleitern.

Die nachdenklichen Stimmen von Professor Andrew Lerner, Archäologe am "Centre for Maritime Studies" in Aberdeen ("Es war klar, da unten ist irgendwas") und Peter Weiss, einem zähen Doktoranden aus Heidelberg, ("Ich fand diesen Clip eines Rucksackreisenden im Internet, auf dem Fischer eine Skulptur aus dem Wasser holen") sind mit dräuendem Pop unterlegt. Und alle paar Sekunden hebt ein Kran eine noch größere Figur aus dem Wasser, die dann vor der Kamera von Algen, Muschelkrusten und Sand befreit wird. Wenn man allerdings weiß, dass diese Fundstücke direkt vor den Dreharbeiten versenkt wurden, sind diese Momente so aufregend wie die "Explorer-Sets" für Kinder, wo man eingebackenen Figuren per Plastikhammer befreit.

Was der ganze Aufwand soll? Man zweifelt schon an einem Künstler, der monatelang einiges an Kamera-Equipment an Meeresufern installiert, ohne irgend etwas zu registrieren, was da vorbei schwimmt. Luxusyachten, Mega-Trawler, Frachtschiffe, Kriegsmarine, Flüchtlingsboote? Fehlanzeige. Hirst interessiert sich ausschließlich für die Bergung seiner kitschigen, einzig zum Abverkauf an Superreiche versenkten Souvenirs. Eine Art Spin-Off in umgekehrter Reihenfolge, wo das Merchandising Vorrang hat und das Märchen nachgeschoben wird - die meisten Werke in Venedig sollten ja möglichst schnell an internationale Sammlerfreunde von Pinault vertickt werden. Damien Hirst ist übrigens in einem Cameo-Auftritt zu sehen, er gibt den Künstler und Sammler, dessen unerwarteter Reichtum nach einer Auktion ihn zum Finanzier und Investor der Schatzsuche werden ließ: "Gemeinsam können wir so etwas wie Wahrheit herstellen" - doch was soll sich da verfestigen? Das, was der Mainstream-Kunstdiskurs so anspült? Die Moral von der Geschichte beißt sich nicht einmal in den Schwanz, so wie das goldene Schlangenknäuel, das der falsche russische Kampftaucher aus dem Wasser zieht. Die vielen Köpfe strecken sich nur gierig in alle Richtungen aus.

"Schätze aus dem Wrack der Unglaublichen" läuft auf Netflix.

© SZ vom 15.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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