Markt der unabhängigen Verlage:Die Gans, Obama und der Kosmos

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Zum Ende des Literaturfests stellen kleine Verlage ihre Werke vor. Manche veröffentlichen nur Bücher von Frauen, andere setzen auf regionale Themen.

Von Barbara Hordych

Barack Obama war so ein Glücksfall, von denen Verleger nur träumen können. So auch die Gräfelfinger Literaturagentin Silke Weniger, die in ihrem Verlag "Edition Fünf" seit 2010 Literatur ausschließlich von weiblichen Autoren veröffentlicht - Bücher, die zu schnell vom Markt verschwunden oder nie ins Deutsche übersetzt worden sind. Dazu zählte 2012 auch "Housekeeping", der Erstling der amerikanischen Autorin Marilynne Robinson. "In Amerika ist sie eine Starautorin, doch in Deutschland war sie seinerzeit nahezu unbekannt; ihren Debütroman ,Housekeeping' konnte man hierzulande nur noch antiquarisch erhalten", sagt Silke Weniger. Und dann passierte es. Barack Obama outete sich als ihr Bewunderer, lud sie ins Weiße Haus ein und führte auch noch ein öffentliches Interview mit ihr. "Sofort stieg die Nachfrage sprunghaft an, 2015 mussten wir ,Haus ohne Halt' schon nachdrucken lassen", sagt Weniger. Für ihr überzeugendes Verlagsdebüt erhielt sie bereits 2011 den Bayerischen Kleinverlagspreis. Beim "Markt der unabhängigen Verlage", bei dem das Literaturhaus dieses Jahr zum zehnten Mal 30 ausgewählte, unabhängige Verlage aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mit besonderen Büchern jenseits des Mainstreams präsentiert, ist sie regelmäßig mit einem Stand vertreten. Denn das Publikum liebt die Begegnung mit den Menschen, die die Bücher machen. Und die Verleger schätzen den "Markt" als Ort, an dem sie ihre Liebhaberstücke herzeigen und das Besondere an ihnen erklären können.

Unsere Schätze finden Sie in den großen Kaufhäusern nicht

"Unsere Schätze finden Sie halt in den großen Buchkaufhäusern nicht", sagt Michael Volk. Mit seinem Volk Verlag hat sich der Münchner seit 2003 auf Publikationen zur Kunstgeschichte, Geschichte und Architektur in Bayern spezialisiert. Denkmalgeschützte Gaststätten sind ebenso vertreten wie einzelne Stadtteile Münchens, bayerisches Brauchtum - oder auch die Tagebücher von Holocaust-Überlebenden wie dem vor kurzem gestorbenen Max Mannheimer. Mitunter nehme er auch Herzensprojekte mit ins Programm (das übrigens 2014 ebenfalls mit dem Bayerischen Kleinverlagspreis honoriert wurde), von denen er wisse, dass sie es "nicht einfach" haben werden. Zum Markt im Literaturhaus nimmt er deshalb die Neuerscheinung "Dem Kreuzbauern seine Gans" mit. Worum handelt es sich dabei? "Es ist eine Art Kinderbuch für Erwachsene", sagt Volk. Vom Autor und Illustrator Dirk Eckert ist bereits das Buch "Die Werdenfelser Fasnacht und ihre Larven" in seinem Verlag erschienen. "Für das war er fünf Jahre unterwegs, hat die Menschen regelrecht angebettelt, ihm ihre gut gehüteten Familienschätze zu zeigen; die hölzernen Masken stammen teilweise aus dem 17. Jahrhundert", sagt Volk. Nun aber zur Gans. Die lernt der Kreuzbauer kennen, als beide noch kaum laufen können. Der Bauer beschützt sie vor dem Beil des Schlachters und erzählt ihr seine Geheimnisse. Später nimmt er sie mit in die Schule, noch später auch mit in den Urlaub. Sogar am Stammtisch und auf der Hausbank in der Sonne hat sie ihr eigenes Plätzchen. Die Geschichte einer wunderbaren Freundschaft also, die von den Windeln bis zur Wolke im Paradies reicht - denn auch der Kreuzbauer lebt nicht ewig. Anrührend ist das Werk, ja, und auch charmant illustriert. Um das Buch aber zu verstehen, muss man es in die Hand genommen haben. Oder, noch besser, mit dem Verleger Volk ins Gespräch kommen.

Diesen Effekt kennt und schätzt auch Caroline Sieveking, die für ihren vor dreieinhalb Jahren gegründeten Sieveking Verlag 2015 den Bayerischen Kleinverlagspreis erhielt. Zur Frankfurter Buchmesse nahm sie ihr Kunstbuch "Double Vision - Albrecht Dürer & William Kentridge" nur noch zu Demonstrationszwecken mit - die Auflage war nach vier Monaten vergriffen. "Wir haben lediglich sieben Exemplare übrig, die verkaufen wir nicht mehr", sagt sie, während sie den Schatz in ihrem Sendlinger Verlag durchblättert. Dafür hatte sie eine Neuerscheinung mit, die auch als Motto für den "Markt der unabhängigen Verlage" taugen würde: "Kosmos großer Entdecker". Der fesselnde Band vereint weitestgehend unveröffentlichte Notizen und Skizzen von 75 Forschungsreisenden, weltbekannten wie Alexander von Humboldt und nahezu vergessenen wie der Schmetterlingsexpertin Margaret Fountaine. Angestoßen hat das Projekt Kari Herbert, die Tochter des ebenfalls im Buch porträtierten Polarforschers Sir Wally Herbert, der zu dem Expeditionsteam gehörte, das als erstes den nördlichsten Punkt der Erde auf dem Landweg erreichte. "Da musste ich einfach zugreifen", sagt Sieveking.

Andere Bücher braucht das Land, Markt der unabhängigen Verlage, Samstag, 26.11., 11-19 Uhr, und Sonntag 27.11., 11-18 Uhr, Literaturhaus.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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