Manifest:Mary Beard

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(Foto: imago/Stella Pictures)

Die britische Althistorikerin und Internetaktivistin steuert mit "Women & Power" einen großartigen Text zur Geschlechterdebatte bei.

Von Johan Schloemann

Die berühmte Althistorikerin war in einer ihrer aufwendigen TV-Dokumentationen über das alte Rom in der BBC zu sehen - ungeschminkt, mit wallendem weißen Haar und mit nicht ganz ebenmäßigen Zahnreihen. Und da schrieb ein etablierter Kritiker nicht etwa über den Inhalt des mitreißenden Histotainments oder über die Herausforderungen populärer Geschichtsvermittlung, sondern befand schlicht: Mary Beard sei "zu hässlich fürs Fernsehen".

Seit 1984 lehrt und forscht Beard an der Universität Cambridge. Damals war sie die einzige Frau ihrer Fakultät und erst noch auf dem Weg dahin, ein "telly don" zu werden, also zu den Elite-Akademikern zu gehören, die fähig und willens sind, ihr Fach und ihre Persönlichkeit ausgiebig in den großen Medien und im Internet zu vertreten. Als Mary Beard aber nun teils neben, teils mit ihren Aufsätzen, Büchern, Tagungen, Lehrveranstaltungen, Rezensionen, Interviews und Vorträgen zu einem Star der kulturinteressierten britischen Öffentlichkeit wurde, da bekam sie es auch zunehmend mit rassistischen und frauenfeindlichen Kommentatoren zu tun, die den Wunsch äußerten, sie möge das Maul halten.

Mary Beard überlegte also, was zu tun sei, "wenn Sie an einer Fernsehdiskussion teilnehmen und dann einen Haufen von Tweets bekommen, die Ihre Genitalien mit einer Vielfalt an unangenehm verfaulendem Gemüse vergleichen". Beard entschied sich, gegen all die Netz-Trolle und Brexit-Populisten den argumentativen Kampf aufzunehmen und ihre Präsenz in der Öffentlichkeit erst recht nicht einzuschränken. Und damit wurde die Professorin, so sind diese Zeiten, noch einmal deutlich bekannter als mit ihren Spaziergängen durch Pompeji oder ihren langen, lehrreichen, witzigen Rezensions-Essays in Magazinen wie dem Londoner Times Literary Supplement, wo Mary Beard zugleich - wie immer sie das auch alles schafft - Redakteurin für die Altertumswissenschaften sowie Verfasserin des sehr beliebten Blogs "A Don's Life" ist.

Neben die Twitter-Kriege und ihre Antike-Bestseller wie "SPQR. Die tausendjährige Geschichte Roms" (deutsch im Verlag S. Fischer, 2016) trat also das feministische Engagement, das mit dem Kampf gegen "das Schreckgespenst vom Ende der humanistischen Bildung" einhergeht. Mary Beard trat und tritt überall gegen Misogynie an und auf, etwa beim "Women in the World Summit" in New York, in der "Me Too"-Debatte oder in einem langen, vom Guardian dokumentierten Austausch mit Hillary Clinton, bei dem es beiden nicht schwer fiel, von männlichem Widerstand gegen Frauen in Schlüsselpositionen zu berichten.

In zwei Vorträgen hat Mary Beard versucht, dieses Gegenwartsthema enger mit dem Erbe der klassischen Welt zu verbinden und zu erklären, inwiefern der Wunsch, Frauen zum Schweigen zu bringen, auf "Tausende von Jahren Übung" zurückgehe. Daraus ist dann das schmale Buch "Women & Power" geworden, das als "Manifest" jetzt in Großbritannien und den USA auf den Bestsellerlisten steht.

Aus dem Altertum überliefert und noch prägend sei, schreibt Beard, dass die öffentliche Rede als "definierendes Attribut" von Männern empfunden werde, weswegen man hohen Frauenstimmen bis heute wenig Autorität zubillige. Sie führt schlagende Beispiele aus Geschichte und Mythos an, etwa den von der jungen Prinzessin Philomela in Ovids "Metamorphosen", der von ihrem Vergewaltiger ihre Zunge herausgeschnitten wird. Mary Beard zeigt, wie mächtige Frauen im Internet durch Bildmanipulation zu Medusenhäuptern mutiert werden - und mag selbst gar nicht gerne schweigen.

© SZ vom 27.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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