Malische Sängerin im Gefängnis:Haft mit Diplomatenpass

Lesezeit: 1 min

Sitzt in Paris im Gefängnis: die malische Sängerin Rokia Traoré. (Foto: AFP)

Prominente fordern Freiheit für Rokia Traoré.

Von Joseph Hanimann

Im Fall der seit zehn Tagen in einem französischen Gefängnis festgehaltenen Sängerin Rokia Traoré regt sich Protest. Die 1974 bei Bamako geborene malisch-französische Künstlerin wurde auf dem Weg von Mali nach Belgien bei einem Zwischenhalt in Paris festgenommen aufgrund eines internationalen Haftbefehls gegen sie. Ihr belgischer Ex-Mann hatte sie der Kindsentführung, Freiheitsberaubung und Geiselnahme beschuldigt, weil sie die fünfjährige Tochter aus dem gemeinsamen Haushalt in Belgien nach Mali gebracht habe. Ein Brüsseler Gericht hat ihm in erster Instanz Recht gegeben und ihm als Vater das alleinige Sorgerecht zuerkannt. Traoré hat dagegen Berufung eingelegt mit der Begründung, sie lebe seit fünf Jahren mit ihren Kindern in Bamako. Sie war unterwegs nach Brüssel zu einer Vorladung des belgischen Gerichts.

Mit ihren bisher sechs Alben ist die stark von Billie Holiday beeinflusste Musikerin eine international geachtete Persönlichkeit. Für die Bühne hat sie auch mit der Schriftstellerin Toni Morrison und dem Regisseur Peter Sellars zusammengearbeitet. 2015 gehörte sie der Jury des Filmfestivals von Cannes an. Seit 2016 ist sie Botschafterin des Guten Willens beim UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge.

Ihr dafür vom Staat Mali ausgestellter Diplomatenpass hat ihr bei der Festnahme in Paris allerdings nichts genützt. In einer von ihrem Anwalt veröffentlichten Erklärung gibt sie an, ihr malischer Diplomatenstatus sei vom Richter für in Europa wirkungslos abgetan worden. Traorés Anwalt kritisiert außerdem, dass das belgische Gericht aus ihrer Weigerung, das Kind dem Vater zurückzugeben, die Straftat der Kindsentführung konstruiert habe.

Die Künstlerin hat ihrerseits gegen den Vater eine Klage wegen sexueller Übergriffe auf die fünfjährige Tochter eingereicht. Seit ihrer Einlieferung in die Haftanstalt Fleury-Mérogis bei Paris steht die Künstlerin im Hungerstreik. Laut ihrem Anwalt ist sie sehr geschwächt und laufe Gefahr, vom Covid-19-Virus infiziert zu werden.

Mittlerweile setzen sich Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft für sie ein. Die Schriftstellerin Annie Ernaux, die Philosophin Barbara Cassin, die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy, sowie Thomas Oberender, Intendant der Berliner Festspiele, protestierten in einem Aufruf in der Zeitung Libération, es sei unzulässig, "dass eine Mutter, die sich zu einem Gerichtstermin über das Sorgerecht ihres Kindes begibt, verhaftet und ins Gefängnis gesteckt wird". Das Pariser Gericht will am 25. März entscheiden, ob Rokia Traoré an Belgien ausgeliefert wird.

© SZ vom 20.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: