Literaturfest:Testsieger

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Viel Zuspruch für das erste literarische Jugendquartett

Von Barbara Hordych

Die jüngste Teilnehmerin auf dem Podium, die 13-jährige Amelie Scholz von den "Lesefüchsen" in Höhenkirchen-Siegertsbrunn, stellt das bedrückendste Buch beim ersten literarischen Jugendquartett vor: Die 17-jährige Hadley - perfekte Schülerin, perfekte Sportlerin, perfekte Tochter - wird von ihrem Vater und "Drillmeister" misshandelt. Was sie aber immer wieder verschweigt, um ihre kleine Schwester Lila zu schützen. Die 200 durchweg jugendlichen Zuhörer in der Black Box lauschen gebannt einer Passage aus Amy Giles' Roman "Jetzt ist alles, was wir haben". In der der Vater seine Tochter mit dem Schürhaken traktiert, nachdem er herausgefunden hat, dass sie nicht in der Bücherei, sondern beim Frauenarzt war. "Ich finde es sehr gut, dass die erste konkrete Schilderung von Misshandlung erst in der zweiten Hälfte des Buchs auftaucht", sagt Niklas Hampe, 15, von der Gräfelfinger "Kritiker Society". So ergehe es einem wie Hadleys Freunden: die ahnten wohl, wussten aber nie wirklich, was da zu Hause passiert. Ist in Hadleys Situation ein "Tyrannenmord" gerechtfertigt, will er von den anderen wissen. Denn Hadleys Eltern, so viel wird verraten, sterben bei einem Unfall. An dem Hadley mitschuldig ist? Diese Frage stellt sie sich selbst im Roman, diese Frage diskutieren auch lebhaft die vier Kritiker. Zu denen gehören noch Irene Merloni, 17, und Lena Breuckmann, 14, von den Münchner Leseclubs "Lehmcool" sowie "Bücher & Kekse". Die auf dem Podium später noch ihre eigenen Favoritentitel vorstellen werden.

Initiiert hat das Projekt Silke Schlichtmann, die als Moderatorin das Gespräch kaum lenken muss, so intensiv und interessiert gehen die jungen Literaturkritiker aufeinander ein. "Endlich einmal reden Jugendliche selbst über das, was sie lesen wollen, anstatt dass Erwachsene Buchempfehlungen aussprechen", stellt Edith Offermann von der Münchner Bücherschau am Schluss fest. Eine Fortsetzung des "Testlaufs" im nächsten Jahr ist diesem Format nur zu wünschen.

© SZ vom 04.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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