"Haben Sie etwas gegen Sex in der Literatur?" Die Frage kommt unerwartet. Sie ist auch nicht unbedingt zwingend, wenn es um Dörte Hansens neuen Roman "Mittagsstunde" geht. Auch bei ihrem Debüt, dem meistverkauften Roman 2015 "Altes Land", drängt sich das nicht auf. Thomas Grasberger, der am Donnerstag die Lesung mit der norddeutschen Autorin moderiert, hat sichtlich Freude daran, charmant provokante Fragen mit Unterhaltungswert zu stellen, Hansen spielerisch aus der Reserve zu locken.
Da ist er bei ihr genau richtig. Die 54-Jährige ist nie um eine Antwort verlegen, was ihr das Publikum in dem knapp zu einem Drittel gefüllten Carl-Orff-Saal dankt. So erfährt es, dass die anfänglichen Reaktionen auf ihre Buchidee - "Mittagsstunde" handelt von der Verödung des fiktiven Dorfes Brinkebüll in Nordfriesland - zurückhaltend gewesen seien. Wer vermutet auch, dass sich beim Thema "Flurbereinigung" ein weiterer Bestseller abzeichnet? Hansen erzählt von ihrer Kindheit im Dorf, von der heiligen Mittagszeit. Dass auch in ihrem Högel üble Wahrheiten totgeschwiegen wurden. "Dinge, die ausgesprochen werden, sind erst dann richtig in der Welt."
Das Münchner Publikum hört, dass Hansen Zuhause "Platt schnackt", dass sie im Dorf "Schlossers Dörte" ist, weil ihr Vater die Landmaschinen reparierte. Sie berichtet von ihren WG-Erfahrungen (keine guten), akribischen Recherchen und überflüssigem Schlager-Wissen. Kurzweilig ist das. Und was den Sex betrifft, sagt Hansen, ließe sie ihren Figuren gerne Privatsphäre. Und dann fügt sie trocken hinzu: "Vielleicht probiere ich das im dritten Buch. Ein plattdeutscher Erotikroman. Ich freu mich schon."