Literaturfest:Die Gelassenheit des Erfolgreichen

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Umberto Eco stellt seinen Roman "Nullnummer" in der Ludwig-Maximilians-Universität vor

Von Yvonne Poppek

Sie lächelt über ihr ganzes Gesicht. Gerade noch stand die grauhaarige Frau in der Nähe von Umberto Eco am Büchertisch. Der 83-jährige Schriftsteller erfüllt den Wunsch vieler Leser nach einem Autogramm. Das läuft recht zügig und geordnet ab, obwohl die wohl hundert Meter lange Schlange anderes befürchten lässt. Die Frau blickt auf den Autor, auf die Traube vor ihm, auf die jungen Leute, die noch schnell ein Handyfoto machen. Dann sagt sie bewundernd: "Wahnsinn. Er ist ein Gigant, dass er das auch noch macht."

Dass Eco das irgendwie anstrengen würde, ist ihm tatsächlich nicht anzumerken. Er strahlt schon den ganzen Abend Gelassenheit aus. Wie sollte es auch anders sein. Sein Roman "Der Name der Rose" hat ihn berühmt gemacht, seine folgenden Werke haben dies gefestigt. Mit seinem aktuellen Buch "Nullnummer" ist er derzeit auf Lesereise. Sein letzter Roman, wie er selbst sagt. Die Veranstaltung im Rahmen des Münchner Literaturfests in der Großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität ist ausverkauft, der Saal lange vor der Ankunft Ecos gefüllt. Und als sich erahnen lässt, dass er demnächst eintrifft, werden die Gespräche auf ein ehrfurchtsvolles Gemurmel heruntergedimmt.

Entspannt nimmt Eco auf dem Podium Platz, ebenso Moderator Knut Cordsen. An Ecos Seite sitzt die Übersetzerin Paola Barbon. Natürlich kreisen Cordsens erste Fragen um Ecos Blick auf den Journalismus. Schließlich spielt "Nullnummer" im Medien-Milieu. Es geht um die Gründung einer Tageszeitung, wobei der von ihr vertretene Journalismus der schlechtestmögliche ist. Der Roman sei eine Betrachtung von innen heraus, sagt Eco, der seit 30 Jahren selbst Kolumnen schreibt. Sein Ärger über die Medien sei Teil seiner Motivation gewesen. Aber, so fügt er selbstironisch hinzu, nach sechs Romanen und im fortgeschrittenen Alter habe er nicht gewusst, worüber er schreiben solle. Also habe er ein Thema gewählt, mit dem er sich auskenne.

Eco schlägt den Plauderton an, ganz Unterhalter und Bonvivant. So pariert er etwa Cordsens Frage, ob eine Figur an den ehemaligen Ministerpräsidenten und Medienmagnaten Silvio Berlusconi angelehnt sei, belustigt mit: "Offensichtlich seid ihr alle besessen von Berlusconi." Er habe an ein allgemeineres Phänomen gedacht, es gebe ja auch Donald Trump oder Rupert Murdoch. "Aber wenn das Ihre beste Wahl ist, dann bleiben Sie bei Berlusconi." Im Verlauf des Gesprächs macht Eco deutlich, dass für ihn mit dem Fernsehen die Zeitungskrise begonnen habe und die Tagespresse den Kampf gegen das Internet verlieren werde. Schwarze Prognosen, die von den Passagen, die Felix von Manteuffel aus "Nullnummer" liest, unterstützt werden.

Am Ende des Abends begibt sich Eco zum Büchertisch, einen unangezündeten Zigarillo im Mundwinkel. Routiniert schreibt er seinen Namen in die ihm entgegengehaltenen Bücher. Wenn er damit fertig ist, blickt er verschmitzt auf, schaut sein Gegenüber an und lächelt genauso viel, wie es seine Gelassenheit und der Zigarillo erlauben.

© SZ vom 04.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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