Literaturfest:Chronisch schlecht gelaunt

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Brillant als Schriftsteller und als politischer Analytiker: Joshua Cohen

Von Eva-Elisabeth Fischer

Der Abend zerfällt in zwei Teile. Wahrscheinlich tut er das, weil dessen Hauptperson mehrere gleichgewichtige Aspekte verkörpert. Und weil Moderator Jan Wiele, Literatur-Redakteur bei der FAZ, der im Juli ein aufsehenerregendes Interview mit dem Mann, der nun auf dem Podium vor ihm sitzt, publiziert hat, an diesem Abend im Literaturhaus dessen politische Reflexionen mit den musiktheoretischen und fiktionalen nicht zusammenbringt. Dabei gäbe es ein Bindeglied: den unbedingten Willen zur (künstlerischen) Form.

Joshua Cohen, 1980 in Atlantic City geboren, wuchtet umständlich sein gewinkeltes linkes über sein rechtes Bein. Der Schriftsteller, Journalist, Pianist und Komponist, skeptischer Blick in erstaunlich weichem Gesicht, bekennt sich zur chronisch schlechten Laune. Vielleicht, weil er das Musikschreiben zugunsten des Journalismus und der Literatur aufgegeben hat - ein erster Tod, den er mit Mitte 20 starb. Damals schrieb er seinen ersten Roman, der nun, von Ulrich Blumenbach glänzend ins Deutsche übersetzt, unter dem arg schlichten Titel "Solo für Schneidermann" bei Schöffling erschienen ist. Der 528 Seiten fette, am Stück so gut wie unlesbare Roman also handelt von Schneidermann, einem genialen Komponisten, vorgestellt von seinem Freund, einem Geigenvirtuosen namens Laster. Der hält, statt Schneidermanns einziges Violinkonzert zu spielen, einen unerträglichen, auch unerträglich komischen, dabei blitzgescheiten zehnstündigen Monolog in der Carnegie Hall, mit 108 Orchestermusikern im Rücken und dem Publikum vor sich.

Die wenigsten Leute im Literaturhaus aber sind wegen dieses Abgesangs auf die jüdische Hochkultur in Amerika gekommen. Sie wollten etwas über das Amerika "danach" hören - obgleich das eine mit dem anderen möglicherweise mehr zu tun hat, als man denkt. Cohen, selbst ein kulturelles Auslaufmodell, hat Donald Trump auf der Vorwahlkampftour begleitet und dabei Grundsätzliches erfasst über den Erfolg dieser unfasslichen Person ohne Intelligenz, ohne Bildung, ohne Konzept, dafür aber mit sehr viel Geld. Dieser Popanz wird nun Präsident der Vereinigten Staaten: "Das einzige, womit man ihm schaden könnte, ist die Enthüllung, dass er pleite ist." Nicht wenige sind verzweifelt wie Joshua Cohen, fühlen sich so, als fielen sie auseinander.

© SZ vom 26.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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