Literaturarchiv Marbach:Das Digitale tun und das Analoge nicht lassen

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Ein Gespräch mit der Staatssekretärin Petra Olschowski.

Interview von Felix Stephan

Seitdem ein Brief an die Öffentlichkeit geraten ist, in dem die Betriebsratsvorsitzende des Deutschen Literaturarchivs in Marbach die neue Direktorin Sandra Richter scharf kritisiert, herrscht Unruhe am Neckar (SZ vom 22. 7.). Verhebt sich das Haus an seiner Digitalisierung? Ein Anruf bei der zuständigen Staatssekretärin Petra Olschowski.

SZ: Sandra Richter ist seit Anfang 2019 Direktorin des Literaturarchivs in Marbach.

Wie sieht die Bilanz bislang aus? Petra Olschowski: Grundsätzlich ziehen wir eine positive Bilanz. Sandra Richter ist mit sehr großem Elan angetreten und hat in relativ kurzer Zeit die einhellige Unterstützung der Geldgeber, also Bund und Land, gefunden, um ihren Masterplan für die nächsten Jahre im Bereich Bau, Digitalisierung, Personal umzusetzen. Das ist ein großer Erfolg.

In dem Brief der Betriebsratsvorsitzenden klingt das ein wenig anders. Da ist von einer "desolaten Lage" die Rede.

Das eindrucksvolle Literaturmuseum wurde 2006 eröffnet, aber es fehlt an Depotflächen in Marbach am Neckar. (Foto: imago)

Man darf nicht vergessen, dass der Brief an das Kuratorium gerichtet war. Es ging nicht um die Suche nach einem offenen Konflikt, sondern nach einem internen Gespräch. Aber natürlich sind die Veränderungen, die auf das Haus zukommen, auch für das Personal eine Belastung. Deshalb muss es jetzt auch darum gehen, die Mitarbeiter vielleicht noch stärker mitzunehmen. Wobei Sandra Richter den Austausch mit den Abteilungsleitern und dem Personalrat faktisch verstärkt und die internen Kommunikationswege ausgebaut hat. Soweit wir das beurteilen können, hat sie den Blick von Anfang an nicht nur auf die Außenwirkung gerichtet, sondern auch darauf geachtet, dass Sie auch nach innen kommuniziert.

Kann es sein, dass die digitalen Ambitionen der Direktorin ein Literaturarchiv einfach überfordern? Schon der Anspruch, die deutsche Literatur zu archivieren, ist eigentlich unerfüllbar.

Ich kann mir vorstellen, dass das Team gefordert ist. Und ich erinnere mich auch sehr gut an den Amtsantritt ihres Vorgängers Ulrich Raulff und an die enormen Diskussionen und Konflikte, die es damals - und auch über einen längeren Zeitraum - gegeben hat. Natürlich ist es für so eine Institution immer schwierig, wenn eine neue Direktion kommt, neue Akzente setzt und einen neuen Tonfall mitbringt.

Raulff wurde intern vorgeworfen, er telefoniere mehr mit Princeton und Paris als mit seinen eigenen Mitarbeitern.

Auch damals gab es schon Konflikte zwischen der Internationalisierung der Institution und ihrer Verankerung in der Region. Den Vorwurf, der Direktor sei zu wenig präsent, der jetzt gegen Sandra Richter erhoben wurde, den gab es auch damals schon. Man darf aber nicht vergessen, dass der Ausbau digitaler Kanäle zur Öffentlichkeit eine Anforderung gewesen ist, die die Findungskommission an die neue Leitung des Hauses gestellt hat. Das ist der Auftrag, den Sandra Richter hat. Und klar ist auch, dass für die wachsenden Aufgaben mehr Personal nötig sein wird, deshalb haben der Bund und wir diese Aufstockung auch zugesagt. Nun gibt es immer die Ängste, dass zugesagtes Personal am Ende doch nicht kommt und die Arbeit an einem selbst hängen bleibt, das kennen wir alle. Aber dass die neuen Aufgaben von dem bestehenden Team nicht einfach zusätzlich erfüllt werden können, ist hier allen klar.

Auch über die Verwendung der Mittel scheint Uneinigkeit zu herrschen. Kommen eher Geisteswissenschaftler oder Techniker?

Ich glaube, dass sich die Aufgaben eines Archivs verändert haben und weiter verändern werden und dass es wirklich wichtig ist, dass man, wenn man den Kontakt zur Fachwelt, zur Forschung, zum Publikum, zu internationalen Institutionen aufrechterhalten will, andere, vor allem digitale Strukturen aufbauen muss. Und natürlich ist es eine enorme Herausforderung für so ein Haus, das Digitale zu leisten und das Analoge nicht zu lassen. Ich bin Germanistin und ich kenne das Glücksgefühl, das sich einstellt, wenn man dort im Archiv ist und die Original-Handschriften vor Augen hat. Diese Erfahrung ist durch das Digitale nicht zu ersetzen. Die Herausforderung ist jetzt, die Experten auf beiden Seiten zusammenzubringen. Das ist ein Balanceakt.

Das Land hat die Budgetaufstockung durch den Bund noch nicht ausgeglichen. Woran hakt es?

Bund und Land waren damals zusammen in den Haushaltsberatungen, da gab es noch keine Anzeichen dafür, dass der Bund gleich im ersten Schritt in dieser Größenordnung einsteigen würde. Davon waren wir positiv überrascht. Wir brauchen im Land aber haushaltsrechtlich andere Voraussetzungen. Für den Haushalt 2020/2021 haben wir 1,5 Millionen Euro für die Planungsrate bewilligt, ein höherer Bedarf war auch nicht angemeldet. Wenn aber die Planungen für das neue Gebäude voranschreiten und da detailliertere Pläne vorliegen, ziehen wir nach. Das ist nicht ungewöhnlich, das liegt schlicht an den unterschiedlichen Verfahren.

© SZ vom 24.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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