Literatur:Und, aber, auch

Thomas Meinecke liest aus dem Roman "Selbst"

Von Eva-Elisabeth Fischer, München

Man kann sich aus Thomas Meineckes "Selbst" (Suhrkamp Verlag) ein eigenes Buch sampeln. Denn auch in der feministischen Fortschreibung seines "Tomboy" montiert der Autor Themen und Figuren, sehr dürftig durch eine Handlung verknüpft, wie ein DJ: Man liest, was einem zu pass kommt und setzt die eigene Pointe unter eine Aphorismen-Sammlung, die Moden und Manien von heute aufs Korn nimmt. Wobei sich Meinecke vor Jean-Luc Godard und Alain Robbe-Grillet mit einem lässigen Armschlenker verneigt. Über allem schwebt Phoebe Zeitgeist, streut Gedankensplitter und befeuert so den (gender-) politischen Diskurs als Schuss ins Leere.

Drei WG-Bewohnerinnen sind mit dem Thema Sexualität beschäftigt. Das Geschlecht definiert sich als rein ichbezogene Selbstinszenierung, Androgynität ist die Norm. Deshalb gleich zu Beginn das einschlägige Who-is-Who, wobei Andy Warhols Factory stets still mitgedacht wird: Tilda Swinton und David Bowie als Ikonen des Und-Aber-Auch, Cindy Sherman und Nan Goldin als kämpferische Inszenatorinnen sexueller Selbstbestimmung, einhergehend mit der Versehrtheit des Körpers.

Vergangene und gegenwärtige Revolutionen leben in einer texanischen Kolonie von Vormärz-Auswanderern fort oder in der Erstürmung des "Instituts für Vergleichende Irrelevanz". Pop und Postmoderne werden als Meinecke-Puzzle neu überdacht - klug und oft zum Schreien komisch.

Thomas Meinecke: Selbst (Metropol-Verlag), Dienstag, 8. Nov., 20 Uhr, anschließend DJ-Set von Meinecke, Bar, Kammerspiele, Falckenbergstr. 2

© SZ vom 08.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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