Champagner, bitte! Wäre das nicht angemessen bei einer Tagung, die dem Münchner Schriftsteller Hans Pleschinski huldigt und dabei immer wieder den Festcharakter in seinem Werk betont? Der Schriftstellerkollege Gerhard Henschel hat bei seinem Vortrag zumindest ein Sektglas neben sich stehen, und auch wenn darin wohl nur deutscher Schaumwein prickelt, wirkt der bloße Anblick doch schon erfrischend zeichenhaft.
Dass auch Pleschinskis Werk "eine große Erfrischung in der deutschen Literaturlandschaft" bedeutet, ja ein "Fest der Kultur", stellen Laura Schütz und Kay Wolfinger bereits zuvor in ihrer Einführung heraus. "Eleganz und Eigensinn" - unter diesem Titel hatten die beiden LMU-Wissenschaftler in die Monacensia geladen. Sie sind zwei Fans, so wird klar, für die Pleschinski "ein Autor der Superlative" ist, der leider in der Forschung bisher so gut wie nicht berücksichtigt werde. Dem wollen sie nun einen Tag lang etwas entgegensetzen, mit gleich acht Vorträgen, die das große Ganze - bisher 22 Werke in vier Jahrzehnten - beleuchten sollen.
So eine Tagung zu Lebzeiten ist eine Ehre, der erste Schritt hin zu einer Kanonisierung, in Richtung Ewigkeit. Dass Pleschinski der Tagung selbst nicht beiwohnt, sondern dies Henschel gegenüber zuvor als "unziemlich" bezeichnete, zeugt von Taktgefühl. Wo er sich an diesem Freitag auch aufhält, es muss ihm jedenfalls in den Ohren klingeln bei all dem Lob, das seinem Werk zuteil wird; kritische Worte fallen keine an einem Tag, an dem überwiegend alte Weggefährten zusammenkommen.
Und so feiert man das erhoffte "Fest der Opulenz und Schönheit". Gerhard Henschel zum Beispiel verortet Pleschinskis Frühwerk - 1984 startete er mit gleich drei Büchern - in der Literatur jener Zeit. Am damaligen Zonenrand in der Ostheide aufgewachsen, habe Pleschinskis Kritik an provinzieller Enge ganz anders geklungen als die eines Bernward Vesper oder Rolf Dieter Brinkmann - wo bei den Kriegskindern Wut war, sei bei Pleschinski Nonchalance zu finden. Eine "Unbeschwertheit" spreche aus diesem Werk, fern aller damals ebenfalls üblichen Bekenntnisliteratur.
Dies hat wohl seine guten Gründe in einer Kindheit, die man als glücklich bezeichnen darf. Von "Geborgenheit" spricht die Münchner Schriftstellerin Eva Gesine Baur, die in bewundernswert freier Rede unter anderem davon erzählt, wie schon Pleschinskis Vater, ein Schmied, zu feiern wusste. Nicht wie ein roter, sondern "wie ein mauvefarbener Faden, golddurchwirkt" ziehe sich das Thema Festlichkeit durch Pleschinskis Werk - auch als eine Möglichkeit, so Baur, Ängste aller Art zu bannen. Früh schon, angesichts der zerstörten Pracht Dresdens zum Beispiel, entwickelt Pleschinski einen Sinn für "gebaute Festlichkeit" wie auch für "ephemere Geschichte". Beides findet zum Beispiel 1986 in einem schmalen Werk wie dem "Holzvulkan" zusammen: Pleschinski beschreibt da den tollkühnen niedersächsischen Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, der im 17. Jahrhundert mit den größten Monarchen und Kunstsammlern mithalten wollte und ein pompöses Schloss bauen ließ - allerdings aus Holz.
Nur folgerichtig scheint es angesichts solch barocker Neigungen, dass Pleschinski viele Jahre später unter dem Titel "Verbot der Nüchternheit" ein "Brevier für ein besseres Leben" herausgibt; das dionysische, rauschhafte Lebensprinzip stellt denn auch die junge Wissenschaftlerin Nastasja S. Dresler als ein Leitmotiv in seinem Werk heraus. Die politische Dimension eines neueren Romans wie "Königsallee" würdigt dagegen der Germanist Oliver Jahraus. Er analysiert den Bestseller über Thomas Manns Besuch in Düsseldorf 1954 nicht nur als "Reflexionsroman über Modelle der Vergangenheitsbewältigung", sondern stellt ihn auch sehr originell in einen Bezug zu Helmut Lethens neuem Roman "Die Staatsräte", der ebenfalls in einer Mischung aus Fakten und Fiktion über Eliten des Dritten Reichs nachdenke.
Dass sich Pleschinski allerdings "nicht durch das Dritte Reich identifizieren lassen" will, macht einmal mehr der Historiker Wolfgang Burgdorf deutlich. Er würdigt Pleschinski als "Schatzsucher und Entdecker" auch anderer geschichtlicher Epochen, zum Beispiel als Herausgeber des Briefwechsels von Voltaire und Friedrich dem Großen. "Ist Pleschinski im guten Sinne ein Konservativer?", will Jahraus denn in der letzten Diskussion wissen. "Ich würde ihn eher als Liberalen bezeichnen", sagt Burgdorf. Das könnte man genauer bei Pleschinski erfragen, der in den letzten Minuten doch noch höchstselbst in den Saal schleicht. Doch nun ist erst einmal Pause, bis seine abschließende Lesung ansteht. Stellwände mit seinen gesammelten Lesungsplakaten werden in den Saal geschoben, Pleschinski plauscht derweil in geselliger Runde im Innenhof. Das Fest, so darf man vermuten, geht jetzt erst richtig los.