Literatur:Neue Wege

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"Fremdgemacht & Reorientiert": Eine Lesung mit Diskussion über jüdisch-muslimische Verflechtungen

Von Anna Steinbauer

Der Beziehungsstatus zwischen Juden und Muslimen in Deutschland lautet: Es ist kompliziert. Seit die Zahl der Geflüchteten aus den arabischen Ländern gestiegen ist, wird vermehrt diskutiert, ob sich mit der Einwanderung auch der Antisemitismus importiert habe. In den Medien dominiert - nicht zuletzt durch den Israel-Palästina- Konflikt - die Vorstellung von einem feindseligen Gegensatzpaar. "In der Öffentlichkeit ist es ein Dauerthema, wie sehr sich Juden und Muslime hassen", sagt der 1990 in München geborene Autor und Aktivist Armin Langer. "Dabei sind die jüdisch-muslimischen Verflechtungen natürlich viel komplizierter." Gemeinsam mit seinem Kollegen Ozan Zakariya Keskinkılıç hat Langer den Sammelband "Fremdgemacht

& Reorientiert" herausgebracht, in dem die vielfältigen politischen, historischen und religiösen Verbindungslinien zwischen Juden und Muslimen aufgefächert werden. Der Band versammelt nicht nur Beiträge und Interviews namhafter Wissenschaftler, Künstler und Aktivisten beider Seiten, sondern eröffnet einen wichtigen und längst fälligen Dialog über die Gemeinsamkeiten zweier einander feindselig geltender Lager. "Wir wollten ein Zeichen dafür setzten, dass jüdisch-muslimische Beziehungen noch etwas anderes zu bieten haben", so Langer, der mit Zakariya und anderen jüdischen und muslimischen Freunden 2013 die Salaam-Schalom-Initiative in Berlin gründete. An diesem Samstag sind die beiden mit der Künstlerin Shlomit Tulgan und der Dichterin Esther Dischereit zu Gast im Bellevue di Monaco.

"Unsere Agenda ist es, den Zusammenhalt zwischen Juden und Muslimen zu stärken", sagt Langer. Denn eigentlich vereint beide Gruppen ziemlich viel: zunächst einmal, eine Minderheit in Deutschland zu sein. Obwohl sich dieser Tage oftmals die Diskussion um Norm, Abweichung und Integrationswilligkeit an Muslimen entzündet, rufen diese Debatten auch jüdische Ausgrenzungserfahrungen hervor. In beiden Ressentiments geht es um eine Angst vor Überfremdung, die Diskussionen damals wie heute ähnlich. "Während man aktuell von einer ,Islamisierung des Abendlandes' spricht, war vor 100 Jahren die Rede von einer ,Verjudung des Abendlandes', so Langer. "Juden wurde vorgeworfen, dass sie integrationsunfähig und -unwillig seien, dass sie einen ,Staat im Staate' bildeten. Heute sagen wir dazu Parallelgesellschaft." Auch die Träger von Islamfeindlichkeit und Antisemitismus seien häufig dieselben, wie man an Vertretern von Pegida oder AfD sehen könne. Eine Allianz zwischen den marginalisierten Minderheiten erachtet Langer in Zeiten zunehmenden Rechtspopulismus als besonders wichtig. Religiöse Minderheiten würden heute von der Mehrheit nicht als zugehörig empfunden, so Langer: "Ich bin der Meinung, dass es eine der größten Herausforderungen unserer Zeit ist, ein kollektives Verständnis für Zugehörigkeit zu entwickeln."

Fremdgemacht & Reorientiert - jüdisch-muslimische Verflechtungen ; Samstag, 15. Dezember, 19 Uhr, Bellevue di Monaco, Müllerstraße 2

© SZ vom 15.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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