Literatur:Marcel Prousts Frühwerk

Marcel Proust um 1910, als er bereits an seinem großen Romanwerk arbeitete. (Foto: Getty Images)

Von Joseph Hanimann

Von Marcel Proust sei nun wirklich jede geschriebene Zeile auch veröffentlicht, dachte man. Weit gefehlt. In diesem Herbst ist im kleinen Pariser Verlag de Fallois ein Band mit acht bisher unbekannten frühen Erzählungen angekündigt unter dem Titel "Le Mystérieux Correspondant et autres nouvelles inédites" (Der geheimnisvolle Briefschreiber und andere unveröffentlichte Erzählungen).

Sie sind das Werk eines jungen, damals noch völlig unbekannten Proust, der gerade die Arbeit an seinem frühen Roman "Jean Santeuil" begonnen hatte. Dieser frühe Proust war just das Forschungsthema des Verlegers Bernard de Fallois. Dieser hatte seine literarische Karriere als Proust-Forscher und Manuskript-Entdecker angefangen. In der 1960 unvollendet liegen gelassenen Promotionsarbeit über Marcel Prousts Anfänge zitierte er Auszüge aus diesen Erzählungen, ließ die Proust-Manuskripte dann aber einfach in einer Truhe liegen. Nach seinem Tod im vergangenen Jahr kamen sie wieder zum Vorschein.

Warum de Fallois diese Texte stillschweigend bei sich behielt, ist für die Proust-Kenner ebenso ein Rätsel wie die Frage, warum Proust sie aus seinem frühen Erzählungsband "Les Plaisirs et les Jours" (Freuden und Tage) 1896 ausgespart hatte. Manche vermuten, die darin offenbar ziemlich direkt angesprochene Homosexualität sei dem jungen Schriftsteller zu heikel vorgekommen. Andere meinen, ihr Stil habe ihm schon nicht mehr gefallen. Wie dieser Stil genau aussieht, weiß außer dem Verlag und dem Herausgeber noch niemand. Umso ergiebiger zirkulieren nun die Spekulationen darüber, wie der Autor des Jahrhundertwerks "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" in diesen frühen Bagatellen geschrieben hat. Am 9. Oktober wird das Geheimnis gelüftet, dieser Tag ist als Erscheinungsdatum angekündigt.

© SZ vom 24.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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