Literatur:Fremd ist er ausgezogen

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Yascha Mounks Familie wurde 1968 aus dem judenfeindlichen Polen verjagt. (Foto: Steffen Jänicke)

Yascha Mounk liest aus seinem Buch "Echt, du bist Jude?"

Von Eva-Elisabeth Fischer

"Echt, du bist Jude?", diese ziemlich dummdreiste Frage, die auch den Titel seines Buches ausmacht, stellte ihm eine Freundin. Sie mündet in den noch dümmeren Ausruf "Wie aufregend!" Yascha Mounk, inzwischen 33-jähriger Sohn der in München bestens erinnerten Dirigentin Alicja Mounk, war im schwäbischen Laupheim, wo er aufwuchs, ein Exot. Und nicht nur dort. Seine Erfahrungen in der Kindheit und Jugend in diversen deutschen Städten - auch in München - verschärften die Identitätsfrage, die jeden Juden umtreibt, beträchtlich. Und sie motivierten ihn schließlich zu diesem Buch über das Leben als Jude im Nachkriegsdeutschland. Er hat es, heute Dozent für Politische Theorie in Harvard, auf Englisch geschrieben und für die nun ein Jahr später auf Deutsch bei Kein & Aber erschienene Übersetzung erweitert.

Die geschilderten politischen Veränderungen im Land auch vor Mounks Geburt werden in Teil 1 und 3 von "Echt, du bist Jude?" vordringlich in Zusammenhang mit den späteren Folgen auf die eigene Biografie als pars pro toto erklärt. Der zweite Teil liest sich als politisch-wissenschaftliche Analyse der sich auch international verändernden Position Deutschlands. Ein Beispiel: der jahrzehntelang eingeübte und vom Ausland erwartete Gewaltverzicht nach der Gründung der Bundesrepublik, der 1999 beim Bundeswehr-Einsatz im Kosovo über Bord ging.

Das verkrampfte Verhalten nichtjüdischer Deutscher, das ihn vom ersten Schultag an begleitete und sich entweder in törichter Ignoranz oder übertriebener Liebedienerei äußerte, machte ihn "Fremd im eigenen Land", so der Untertitel seines Buches. Und es bewog ihn dazu, nach Amerika zu gehen. Denn dort kräht kein Hahn nach der jeweiligen ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit eines Zuwanderers. Die jüngsten Debatten in Deutschland, wie etwa die Abhöraffäre um den NSA oder den fortschreitenden islamischen Terror, die neue Gewichtung eines heutzutage multiethnischen Landes ließen es für ihn doch noch denkbar werden, hier zu leben - als Deutscher und als Jude. In Amerika ist er trotzdem geblieben. Was er wohl zur aktuellen Flüchtlingsproblematik zu sagen hat?

Yascha Mounk liest aus "Echt, du bist Jude?" am Mittwoch, 14. Oktober, 19 Uhr, im Rahmen der Jüdischen Kulturtagen im Jüdischen Kulturzentrum, St.-Jakobs-Platz 18, 20 24 00 100

© SZ vom 14.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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