Literatur:Das Pseudonym als zweites Ich

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Ulrich Chaussy eröffnet eine neue literarische Reihe in der Stadtbibliothek im Gasteig mit "Duett in einer Person: Eva Gesine Baur und Lea Singer". Die Autorin erklärt, warum sie unter zwei Namen publiziert

Von Christina Prasuhn

Warum publizieren Autoren unter mehreren Namen? Während Charlotte Brontë im 19. Jahrhundert das männliche Pseudonym Currer Bell wählte, um als Schriftstellerin ernst genommen zu werden, wünschte sich Hans Bötticher alias Joachim Ringelnatz einfach einen originelleren Namen. Eva Gesine Baur, die bereits als Autorin zahlreicher Sachbücher erfolgreich war, veröffentlichte im Jahr 2000 ihren ersten Roman "Die Zunge" unter dem Pseudonym Lea Singer. "Ich hatte großen Respekt vor der belletristischen Arbeit und keinen Dunst, ob ich dem Anspruch, auch meinem Anspruch, genügen konnte", sagt sie. Daher wollte sie zunächst "als Person im Verborgenen bleiben" und einfach nur nach ihrer Arbeit beurteilt werden.

"Eigentlich für einen Anfänger eine dreiste Bedingung", stellt sie rückblickend fest. Dass sich der Verlag sofort darauf einließ und eine frei erfundene Biografie ins Buch druckte, wäre ihrer Meinung nach heute kaum mehr möglich. Inzwischen bedauert Eva Gesine Baur, dass sie bereits beim zweiten Roman auf das Drängen des Verlages ihre Identität preisgegeben hat: "Die Unvoreingenommenheit, die ich ersehnte, ist nicht mehr zurückzuerobern."

Am 16. November ist die Schriftstellerin, in deren Romanen es nicht immer, aber meistens, um Musik geht, zu Gast beim Lese- und Gesprächsabend "Duett in einer Person: Eva Gesine Baur und Lea Singer", der eine neue Reihe von literarischen Veranstaltungen des Fördervereins der Münchner Stadtbibliothek "Bücher und mehr" eröffnet. Ulrich Chaussy, Vorsitzender des Fördervereins, ist durch seinen Schulfreund Franz-Maria Sonner, der unter dem Namen Max Bronski München-Krimis veröffentlicht, auf die Idee gekommen, sich mit dem Thema der verschiedenen Identitäten von Autoren zu befassen. Eine Lesung von Franz-Maria Sonner ist für das Frühjahr 2016 geplant.

Mit Eva Gesine Baur wird Ulrich Chaussy am 16. November über ihren neuesten Roman "Die Anatomie der Wolken" sprechen. Außerdem stehen die Biografie "Mozart. Genius und Eros" sowie die Romane "Konzert für die linke Hand" und "Mandelkern" im Mittelpunkt; das literarische Programm wird durch musikalische Einspieler ergänzt. Denn für Eva Gesine Baur bestehen zwischen dem Schreiben und dem Schaffen von Musik einige Parallelen. Wie ein Komponist möchte sie die Leser verführen, in die Räume ihrer Einbildungskraft einzuziehen: "Schönheit, Eingängigkeit, Melos sind in der Musik wie in der Sprache nur Köder, um die Menschen dorthin zu locken, wo es ums Eigentliche geht. Musik bewegt uns, wenn sie suggestiv ist. Ich versuche, suggestiv zu schreiben."

Während ein Sachbuch vor allem einen Zuwachs an Wissen bedeute, wirke sich das Romanschreiben anders aus. "Im Roman durchschreite ich dessen Welten mit so intensiver Empathie, dass ich sie hinterher nicht sofort verlassen kann", stellt sie fest. Eine Wirkung, die Musik vergleichbar sei: "Ein Musikerlebnis ist dann gut, wenn ich es als eine Veränderte verlasse. Verließen meine Leser die Räume meiner Romane als Veränderte, hätte ich mein verwegenstes Ziel erreicht."

Duett in einer Person: Eva Gesine Baur und Lea Singer , Mo., 16. Nov., 19.30 Uhr, Stadtbibliothek Gasteig, Rosenheimer Str. 5, Eintritt frei, Infos: www.buecher-und-mehr.org

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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